Synchron über große Distanz – Von Melrose nach München

Bis nach Haarlem bei Amsterdam reisen wir noch gemeinsam, dann teilen wir uns auf - und erreichen trotzdem verblüffend zeitgleich unsere Ziele.

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Einen Vorteil hat die ganze Umschmeißerei unserer Urlaubspläne: Durch die Hotelübernachtung in Melrose kommen wir heute morgen in den Genuss eines ausgiebigen, typisch englischen Frühstücks. Auch etwas wert!

Vollgestopft satteln wir anschließend Marvins BMW (mit dem bisschen Gepäck geht das ja sehr schnell) und machen uns auf den Weg nach Newcastle. Heute sitze ich etwas entspannter auf dem Rücksitz, toll ist es trotzdem nicht. Ich kann immer nur entweder über die rechte oder die linke Schulter von Marvin gucken, muss ständig darauf achten, dass mein Helm nicht gegen seinen dotzt, wenn er bremst, und habe – bedingt durch meine Körpergröße von fast 1,80 m – nur wenig Bewegungsspielraum auf dem Sattel. Zwar schlafen meine Pobacken heute immerhin nicht mehr ein (im Gegensatz zu gestern), aber ich schwöre mir trotzdem hoch und heilig, allen Beifahrerinnen und Beifahrern in Zukunft mit mehr Respekt zu begegnen. Ihr habt meine volle Hochachtung, Mädels und Jungs! Den Lenker eigenhändig zu steuern ist deutlich weniger anstrengend, das kann ich euch sagen!

Kurz hinter Melrose überqueren wir die Grenze zwischen Schottland und England – und diesmal merken wir es auch. Wir steigen ab und machen ein paar Fotos. Etwas wehmütig blicken wir nach Norden. Lange dauerte er ja nicht, unser Schottland-Urlaub. Wir lehnen uns aneinander und schwören uns feierlich, dass wir in naher Zukunft zurückkehren werden, ganz bestimmt!

Goodbye Scotland!

Der letzte Streckenabschnitt in England schließlich birgt keine Überraschungen mehr. Allzu lange ist es ja auch nicht her, dass wir diese Gegend erst in die andere Richtung durchquert haben. Die Fahrt durch Newcastle klappt diesmal ohne Verfahren, und unserer Tradition gemäß sind wir die allerersten am Hafen. Wir belegen gleich einmal eine Fahrspur für uns und marschieren dann zum Terminal. Diesmal wissen wir ja, dass es irgendwo einen Aufenthaltsraum geben muss – und siehe da, dieser entpuppt sich sogar als besonders gemütlich, mit Ledersitzen und Vollverpflegung. Hier lässt es sich gut warten!

Wir decken uns mit Essen ein (also echt … irgendwie sind wir dauernd am futtern^^) und geraten schnell in ein anregendes Gespräch mit weiteren, frühzeitig eintrudelnden Motorradfahrern. Ein Paar berichtet, dass sie die Hälfte ihrer ursprünglichen Truppe durch einen Auffahrunfall im Kreisverkehr (wo auch sonst …) verloren haben. Es gab dabei zwar glücklicherweise keine Verletzten, dafür aber Totalschaden an zwei Motorrädern. Auch nicht toll.

Die Zeit bis zur Auffahrt auf die Fähre vergeht heute vergleichsweise schnell – wohl weil wir nun wissen, wie das alles abläuft – und nachdem wir das Motorrad verzurrt, unsere geräumige Kabine bezogen und uns frisch gemacht haben, erkunden wir unsere Umgebung. Zwischen Newcastle und Ijmuiden verkehren zwei verschiedene Schiffe, und dieses hier ist das andere. Wir stellen jedoch recht schnell fest, dass beide Fähren – bis auf kleine farbliche Unterschiede in der Innenausstattung – nahezu identisch sind, einschließlich des Angebotes an Restaurants und sonstiger Unterhaltung. Wir leisten uns noch ein paar Snacks und verziehen uns frühzeitig in unsere Kabine. Die liegt auf dem zweithöchsten Deck, weshalb wir die unruhige See diesmal ziemlich deutlich merken. Ich habe tatsächlich mit leichter Übelkeit zu kämpfen. Die Nacht über kann ich zwar halbwegs gut schlafen, aber als wir am nächsten Morgen in den Hafen von Ijmuiden einlaufen, bin ich doch heilfroh, dass die Schaukelei endlich aufhört.

Der nächste Morgen

In England durften wir als eine der ersten auf das Schiff fahren, was sich nun rächt: Beim Entladen müssen wir dafür besonders lange warten. Normalerweise wäre das kein Problem (das Schiff schaukelt ja schließlich nicht mehr :-)), aber ich bin aus einem anderen Grund unruhig: Ich habe via Bahn-App herausgefunden, dass recht bald ein Zug von Amsterdam nach Frankfurt (wo wir erneut einen Zwischenstopp einlegen wollen) fährt. Um den Zubringerzug nicht zu verpassen, sollten wir doch bald mal auf die Piste kommen…

Das Symbol zur Infobox

Warnung vor Mobilfunkkosten

Bei der Gelegenheit: Auf dem Schiff wollte ich bereits vorab die Fahrpläne checken – und bin beinahe vom Hocker gefallen als ich erfahren habe, dass ein MB (!) Datentransfer satte 20,28 Euro (Tarif für Schiffe und Flugzeuge) gekostet hätte. Mein Handyvertrag warnt mich bei solchen Dingen glücklicherweise und bucht das nicht automatisch, aber ich kann allen nur dringend raten, die mobile Datenübertragung ggf. manuell zu deaktivieren! Auch wenn es mittlerweile eine Sicherheits-Höchstgrenze gibt, so muss man diese ja nicht unbedingt ausschöpfen.

Nun, wir schaffen es noch rechtzeitig nach Haarlem. Vor dem Bahnhof trennen Marvin und ich uns schließlich schweren Herzens (ich wäre ja gerne weiter mit ihm zusammen gereist, aber nicht auf dem Beifahrersitz – das halten mein Rücken und meine Nerven einfach nicht aus). Ab jetzt geht es getrennt weiter, somit berichten wir auch getrennt 😉

Heimfahrt per Bahn und Bike

Anja: In Haarlem steige ich also in den Zug nach Amsterdam. Bzw. will ihn besteigen, denn kurz vorher merke ich, dass die Dame am Ticketschalter mich falsch verstanden und mir statt einem Ticket nach Oberursel eines nach Oberdorf verkauft hat … Hektische 15 Minuten später ist das Missverständnis geklärt, das Ticket ausgetauscht und ich sitze im nächsten Zubringerzug. Ich liege aber trotzdem noch gut in der Zeit und erreiche den ICE nach Frankfurt locker. Da meine Versicherung mir ein 1. Klasse-Ticket erstattet, habe ich mir das auch gegönnt – und sitze so gemütlich im warmen Zug, mit Kaffee und Kindle, schaue aus dem Fenster und habe Mitleid mit Marvin, der sich allein auf den regnerischen Straßen nach Hause kämpfen muss.

Marvin: Und das fängt schon bei der Ausfahrt aus Haarlem an. Nicht lange nachdem ich Anja traurig Lebewohl gesagt habe, habe ich mich verirrt. Kein Wunder, denn mein Navi „Günni“ hat vor der absurd komplexen Infrastruktur der Innenstadt kapituliert und kann mir ganze 20 Minuten lang keine Route berechnen. Und die, die letztendlich dabei herauskommt, führt mich zwar gottseidank aus der holländischen Vorstadthölle, aber nur auf irrwitzigen Umwegen nach Frankfurt. Das Problem: Der Regen wird immer schlimmer – und wie falsch ich eigentlich fahre, merke ich erst später.

Anja: Irgendwo bei Düsseldorf hat mein Zug ein technisches Problem und ich muss umsteigen. Wann bin ich eigentlich das letzte Mal mit der Bahn gefahren, OHNE dass es irgendein „technisches Problem“ gegeben hätte? Das muss ziemlich lange her sein, denn ich erinnere mich nicht. Nun gut, ich gebe Marvin via WhatsApp durch, wo er den Schlüssel für das Haus meines Bruders abholen kann, da ich nun davon ausgehe, dass er deutlich vor mir in Oberursel sein wird.

Marvin: Nicht wirklich, denn dank meines Chaos-Navis befinde ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr auf der Autobahn, sondern mitten in der Düsseldorfer Innenstadt. Jetzt dämmert es mir, dass irgendetwas mit der Route nicht stimmen kann. Ich fahre also auf einen OBI-Parkplatz und lasse sie neu berechnen. Und, oh Wunder, die neue Route ist in nur 10 Sekunden ermittelt und spart mir im Vergleich zur alten ganze 2 Stunden Fahrzeit. „Na super“ denke ich mir und ärgere mich über die vertrödelte Zeit. Da ich unser kleines Wettrennen durch Holland und Deutschland nicht verlieren will, schwinge ich mich sofort wieder auf die Straße und fahre bald wieder auf der Autobahn Richtung Süden.

Anja: Vom Hauptbahnhof in Frankfurt nach Oberursel nehme ich die S-Bahn. Am Ziel angekommen, knurrt mein Magen bereits vernehmlich, also bestelle ich am S-Bahnhof kurzerhand bei der tollen Pizzeria, in der wir schon bei der Hinreise gegessen haben, zwei Pizzen zum Mitnehmen. Hm, die riechen vielleicht gut! Beim Haus meines Bruders stelle ich fest, dass Marvin noch gar nicht da ist. Nicht so schlimm, Pizza schmeckt auch kalt, denke ich mir … doch noch in derselben Minute kommt Marvin um die Ecke gedüst. Unglaublich – fast gleichzeitig angekommen! Und über die noch immer warme Pizza freut er sich sehr 🙂

Marvin: Denn zumindest habe ich so einen Trostpreis für das verlorene Rennen :-] Fast surreal, denke ich mir: Da steht meine Freundin, die ich vor 500km allein in einer fremden Stadt in Holland ausgesetzt habe, und nun ist sie trotz sechs Stunden Tempo auf der Autobahn vor mir da (wenn auch knapp) – die Wunder der modernen Bahntechnik. Völlig erschöpft und immer noch durchnässt quartieren wir uns erst einmal ein und gönnen uns eine heiße Dusche. Wir tauschen uns mit Anjas Bruder über unsere Erlebnisse aus und sind froh, dass bisher alles reibungslos geklappt hat.

Anja: Wir verbringen einen schönen Abend mit meinem Bruder und fallen anschließend in einen erholsamen Schlaf. Bald ist die Heimreise geschafft! Am nächsten Tag geht es erneut getrennt weiter. Ich stapfe zur S-Bahn, fahre nach Frankfurt und steige dann um in den nächsten ICE nach München. Diesmal buche ich nur zweite Klasse, man muss ja nicht übertreiben. Aber eine Sitzreservierung gönne ich mir trotzdem – zum Glück, denn der Zug ist rappelvoll.

Marvin: Frisch erholt und guten Mutes gehe auch ich den zweiten Teil der Strecke nach Hause an. Das fällt mir heute nicht nur dank der vertrauten Umgebung Frankfurts leichter als gestern, sondern auch wegen des angenehmen Sonnenscheins. Den ganzen Tag bekomme ich keinen einzigen Regentropfen ab, was eine willkommene Abwechslung ist. Natürlich ist die Strecke nach München dadurch auch entsprechend ereignislos. Was soll ich sagen, lange Autobahnfahrten kennt jeder, da passiert nicht viel. Immerhin habe ich heute eine zweite Chance, Anja mit ihrem Zug zu schlagen. Und da mein Navi diesmal nicht spinnt, rechne ich mir auch ganz gute Chancen aus. Erster Platz, ich komme!

Anja: Am frühen Nachmittag (diesmal tatsächlich ohne technische Probleme, juchhu) erreiche ich München. Und nehme mir ein Taxi, weil ich zu erschöpft bin, um noch in die U-Bahn steigen zu wollen. Zuhause angekommen werde ich von unseren Grundstücks-Mitbewohnern begrüßt und bin gerade dabei, ihnen ein wenig von unseren Abenteuern zu berichten, als Marvin in unsere Einfahrt tuckert. Erneut sind wir – trotz vollkommen unterschiedlicher Strecken und Transportfahrzeuge – nahezu zeitgleich angekommen. Kaum zu glauben, oder?

Marvin: Das gibt’s doch nicht! Aber schön, zuhause zu sein :-]