München bis Scuol – Anreise mit Bergsicht

Sicherlich kann man auch an einem Tag von München bis nach Genua durchbrechen - doch wozu? Wir haben die Anreise lieber in drei schöne Etappen aufgeteilt. Und heute geht es los!

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Während der Planungsphase zu unserer Korsika-Tour haben wir kurz beratschlagt, wie wir den doch recht langen Weg bis zur Fähre in Genua hinter uns bringen wollen. Sollen wir – wie letztes Jahr auf der Reise nach Schottland – ein bis zwei Tage auf der Autobahn verbringen? Ein Blick auf die Landkarte überzeugt uns jedoch davon, dass das viel zu schade wäre. Um die langweilige Durchquerung der Po-Ebene kommen wir zwar nicht herum (jedenfalls nicht bei halbwegs sinnvoller Streckenplanung), aber die übrige Route kann man doch viel spannender gestalten…

Auf geht’s, ab in den Süden!

Scuol befindet sich in der Schweiz, genauer gesagt in der Region Engadin (Kanton Graubünden). Außerdem liegt es in einer für uns angenehmen Tagesstrecken-Entfernung und es gibt einen ansprechend wirkenden Campingplatz – ein perfektes Ziel also für die erste Etappe. Wenn da nicht diese Hitze wäre …

In den letzten Tagen sind die Temperaturen in München (und anderorts) auf über 30 Grad angestiegen. Auch für heute ist keine Abkühlung in Sicht – und ich frage mich zum ersten Mal, ob es wirklich so eine gute Idee war, ausgerechnet jetzt in den Süden zu fahren. Doch die Fähre ist gebucht und für Gejammere keine Zeit – also rauf auf die Mopeds, die wie üblich schon seit dem Vorabend vollständig gepackt im Garten auf uns warten. Pünktlich um 10 Uhr starten wir die Motoren und düsen ab in Richtung Alpen. Früh genug, denn von der angekündigten Hitze ist glücklicherweise noch nicht allzu viel zu merken. Und in den Bergen ist es sicherlich kühler!

Es ist Samstag, trotzdem ist die Autobahn Garmisch nicht besonders voll. Sogar über den sonst gerne verstopften Fernpass kommen wir zügig und ohne nennenswerte Staus. Bis hierhin gehört alles noch zu unserem heimatlichen Einzugsbereich. Spannend, weil eher unvertraut, wird es für uns erst, als wir in Landeck scharf nach Süden abbiegen (den Landecker Tunnel fahren wir nicht – mangels Vignette und mangels Lust auf Tunnel).

Es steigen die Straßen – und die Temperaturen

Gleich nach dem Verlassen der Stadt beginnt die Straße sanft anzusteigen (und hört damit bis zum Maloja-Pass, der morgen auf dem Programm steht, eigentlich nicht mehr auf). Sie ist angenehm kurvig, der Belag sauber und mit gutem Grip, der Verkehr mäßig und die Ausblicke auf die immer hochgebirgiger werdende Umgebung wunderbar. Eine tolle Strecke, unbedingt empfehlenswert! Und ein gutes Argument dafür, sich bereits für die Anreise genügend Zeit zu nehmen, um nicht immer nur die schnellstmögliche Route fahren zu müssen.

Genussvoll cruisen wir bis zur Schweizer Grenze, überfahren diese, ohne dass ein Zöllner sich für uns interessiert, und erreichen nach insgesamt drei Stunden Fahrzeit schon unser Ziel. Ausgerechnet während der Mittagspause des Campingplatzes und bei inzwischen mindestens 30 Grad im Schatten. Meine Hoffnung, in den Bergen der Schweiz wäre es vielleicht etwas kühler, hat sich also nicht erfüllt.

Ein Schild am Eingang des Campingplatzes fordert uns auf, sich doch selbst einen Platz zu suchen und diesen dann nach der Mittagspause dem Personal mitzuteilen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn als wir Punkt 14 Uhr in der Rezeption verkünden, wo wir unser Lager aufgeschlagen haben, stellt sich heraus, dass wir dabei nichtsahnend gleich zwei Fehler begangen haben:

Zum einen ist genau dieser Platz reserviert – was der Mann vom Campingplatz allerdings noch durch schnelles Tippen am Computer ändern kann. So richtig entgleisen ihm die Gesichtszüge jedoch, als er realisiert, dass wir mit dem Zelt hier sind. Der von uns gewählte Platz ist eigentlich nur für Wohnmobile gedacht, weil dort nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche Stromkabel verlaufen … und das Einschlagen der Zeltheringe somit ziemlich schnell ziemlich gefährlich hätte werden können. Jetzt wird auch uns ein bisschen schlecht. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn man mit einem Zelthering ein Stromkabel durchbohrt. Und das in der sonst so geordneten Schweiz …

Nun, wir sind noch am Leben, was nicht nur uns, sondern ganz offensichtlich auch die beiden Herren vom Campingplatz erleichtert. Der Rest der Anmeldeformalitäten ist schnell erledigt. Die Übernachtung ist mit 37 Euro (inkl. Strom) für Schweizer Verhältnisse geradezu billig – erst recht, da die Sanitäranlagen hier nicht nur nagelneu, sondern auch ausgesprochen komfortabel sind. Sogar Föhns gibt es hier. Ein schöner Platz!

Am Rande der Schlucht

Marvin und ich duschen, ruhen uns etwas aus und brechen schließlich auf in das eigentliche Dorf. Der Campingplatz liegt nämlich auf der einen Seite einer sehr tiefen Schlucht, der Ort selbst auf der anderen. Und über diese Schlucht spannt sich eine beängstigend hohe Eisenkonstruktion, die sich „Brücke“ nennt, die man nur zu Fuß betreten darf – und die mit meiner Meinung nach viel zu dünnen Holzbrettern belegt ist. Ich überquere sie so schnell ich kann. Auf der anderen Seite warte ich dann auf Marvin – und bemerke erst jetzt, was für ein herrliches Panorama man von hier aus hat. Ich überwinde mich, gehe vorsichtig ein paar Schritte auf die Wackelkonstruktion und knipse ein paar Fotos. Aber dann nichts wie zurück ans rettende Ufer! Marvin lacht und meint, diese Brücke würde schon über einhundert Jahre halten. Ich weiß nicht recht, was er mir damit sagen will – dass alte Dinge nicht kaputtgehen können?

Scuol selbst ist genau so, wie man sich eine wohlhabende Gemeinde in der Schweiz vorstellt: Alle Häuser sind gepflegt und sauber, es herrscht eine Mischung aus bäuerlichem und mondänem Stil, überall bieten die Läden entweder Outdoorartikel, Mode oder Mitbringsel an. Und Waffen – was uns doch ein wenig irritiert. Wenn zwischen Skistöcken und Rucksäcken eine Auswahl von Gewehren hängt, so ist das ein Anblick, an den wir nicht unbedingt gewöhnt sind.

Teuer – aber trotzdem den Preis wert

Auch nicht gewöhnt sind wir an die hiesigen Preise. Dass die Schweiz teuer ist, ist uns zwar nicht neu, trotzdem realisieren wir das erst so richtig, als wir auf der Suche nach einem Platz fürs Abendessen die an den Lokalen ausgehängten Speisekarten studieren. Unter 20 Euro bekommt man hier nirgendwo ein Essen (pro Person und Gericht). Nachdem wir den gesamten Ort durchlaufen haben, wählen wir schließlich eine halbwegs bezahlbar erscheinende Pizzeria. Natürlich sind wir zu früh dran, es gibt erst in einer Stunde etwas zu essen (eine Situation, in der wir uns während des weiteren Urlaubs noch recht häufig wiederfinden werden…), aber wir überbrücken die Zeit mit kühler Cola und tollem Ausblick.

Die Pizzen, die wir uns dann bestellen, sind die Wartezeit (und den Preis von knapp 20 Euro je Stück) tatsächlich wert, sie sind riesengroß und schmecken super! Trotzdem passt noch ein Nachtisch rein. Ich wähle ein Stück der (für diese Gegend typischen) Engadiner Nusstorte, finde sie aber etwas zu trocken, auch wenn sie toll nach Nüssen schmeckt. Ein Klecks Sahne darauf wäre mir ganz recht gewesen.

Vollgefressen rollen wir schließlich zurück zum Campingplatz. Die Brücke überquere ich in neuer Rekordzeit. Glücklicherweise trägt sie auch dieses Mal mein Gewicht – trotz Pizza und Nachtisch ;-).

 

Routenüberblick

Datum: 24. Juni 2017
Schwierigkeitsgrad: meist einfach, ab und zu mittelschwer
Länge: 210 km, ca. 3,5 h Fahrzeit
Eindrücke: landschaftlich spannend und streckenweise sehr schön – lässt sich trotzdem sehr entspannt fahren; ein schöner erster Fahrtag 🙂