Tokyo, Tag Eins: Altes und Modernes direkt nebeneinander

Von TeamLab Planets über den Garten des Kaiserpalastes nach "Electric Town" Akihabara bis hin zum altehrwürdigen Sensoji-Tempel in Asakusa - all das erkunden wir heute und sind hellauf begeistert von dieser Stadt.

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Als wir nach unserer ersten Nacht in Japan die Augen öffnen, fühlen wir uns frisch und ausgeruht. Wir haben beide super geschlafen. Insbesondere die Kopfkissen sind eine wahre Wohltat. Ich kenne aus Hotels sonst nur diese riesigen Dinger, in die man so tief einsinkt, dass man Erstickungsängste bekommt. Und wenn ich sie zusammenwurschtel, damit sie etwas mehr Halt geben, liegt mein Kopf meist so schief, dass ich Nackenverkrampfungen bekomme. Nicht so in diesem Hotel, hier ist das Kissen eher klein, hat aber hat die ideale Höhe und Festigkeit, perfekt für entspannten Schlaf.

Wir kochen uns den üblichen Urlaubs-Instant-Cappuccino (diesen besonderen Geschmack können wir aus unseren Reisen nicht mehr wegdenken) und essen dazu Eier-Sandwiches, dann brechen wir auf. Heute haben wir ein straffes Programm. Auf dem Weg zur nächsten U-Bahn-Station nutzen wir die Gelegenheit, die nähere Umgebung unseres Hotels einmal etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Gestern, bei der Ankunft, waren wir zu müde dazu.

Es ist hübsch hier und erstaunlich ruhig. Obwohl wir uns inmitten in einer 37-Millionen-Stadt befinden, fühlen wir uns nicht erdrückt. Auf den kleinen Straßen ist nahezu kein Verkehr, auf den etwas größeren nur wenig und der ist noch dazu sehr unaufdringlich. Keine Möchtegern-Raser, die sofort wütend loshupen, wenn man es nicht binnen einer Zehntelsekunde von der Kreuzung schafft, wie wir es aus München leider nur zu gut kennen. Die Rücksichtnahme und Zurückhaltung, die für Japan typisch ist, ist auch im Autoverkehr gut zu beobachten.

U-Bahn fahren in Tokyo

Gestern, bei der Fahrt vom Flughafen hierher, haben wir schon gemerkt, dass es nicht allzu schwer ist, sich in den U-Bahnhöfen zurechtzufinden. Heute bestätigt sich dieser Eindruck. In Google Maps suchen wir uns die benötigten U-Bahnlinien heraus. Diese sind in der Regel farblich codiert, die Farben finden sich auf den Schildern wieder, die Namen der Linien stehen auch auf Englisch angeschrieben und jede Station hat eine eindeutige Nummer. So wissen wir also auch immer, wo wir wieder aussteigen müssen. In den Bahnen selbst sind nicht nur Monitore aufgehängt, die alle wichtigen Infos auf Japanisch und Englisch anzeigen, es gibt auch zweisprachige Durchsagen an jedem Bahnhof.

Zutritt zu den eigentlichen Bahnsteigen bekommt man nur über Schranken, in die man entweder sein vorher erstandenes Ticket einschiebt oder – wie in unserem Fall – einfach die Suica Card an ein entsprechend gekennzeichnetes Lesegerät hält. Es wird kurz angezeigt, welches Guthaben sich noch auf der Karte befindet, dann kann man passieren. Wechselt man zwischen zwei U-Bahnlinien am selben Bahnhof, muss man den mit Schranken abgesperrten Bereich meist nicht verlassen. Erst am Zielbahnhof passiert man erneut die Schranken und der verbrauchte Betrag (in Tokyo ist er z.B. abhängig von der Länge der gefahrenen Strecke) wird von der Suica Card abgebucht. Man erhält dabei auf einem Display angezeigt, wie viel das jetzt gekostet hat und welches Restguthaben auf der Karte ist. So weiß man immer, wann man wieder Geld auf die Sucia Card einzahlen sollte. Ein super System, sehr ähnlich der Oyster Card in London. Nur dass die Suica Card (nebst ihren Konkurrenten, wie z.B. Pasmo) in ganz Japan gültig und noch deutlich vielfältiger einsetzbar ist.

Auch das Einsteigen in U-Bahnen, Züge etc. ist hier unglaublich gut organisiert. Die Bereiche, in denen sich die Türen der Bahnen nach dem Halten befinden, sind auf dem Boden deutlich markiert (die Fahrer schaffen es tatsächlich, die Türöffnungen immer genau zu platzieren). In stark frequentierten Bahnhöfen gibt es sogar Mauern, die verhindern, dass man neben diesen Bereichen auf die Gleise fallen kann, manchmal kommen auch Türen hinzu, die sich erst öffnen, wenn der Zug steht. Dann gibt es noch Markierungen die anzeigen, wo man sich anstellen muss, wenn man einsteigen möchte. Da sich hier ausnahmslos jeder daran hält, funktioniert das Ein- und Aussteigen binnen kürzester Zeit und vollkommen ohne Stress. Ein vorbildliches Konzept, das ich mir in Deutschland auch wünschen würde!

TeamLab Planets und veganer Ramen

Unser erstes Ziel ist teamLab Planets nahe des Hafens, eine Kunstausstellung mit viel digitaler Technik, die richtig gut sein soll. Ich hatte recherchiert, dass es montags und erst recht in der Früh wohl nicht so voll ist.

Tja. Als wir dort ankommen, sehen wir eine mäandernde Schlange viel zu vieler Menschen vor dem Eingang. Laut Google dürfen die doch gar nicht hier sein! Bereits etwas verunsichert gehen wir zum nächsten Ticketautomaten – und dort bestätigt sich unsere Befürchtung: Für heute sind keine Karten mehr zu bekommen, für morgen auch nicht. Aber wir sind ja noch etwas länger hier. Wir kaufen also zwei Tickets für übermorgen, Mittwoch, dann gucken wir uns noch ein wenig um und entdecken, dass es hier ein veganes Ramen-Restaurant gibt. Das ist ja super! Wir gönnen uns zwei Schüsseln davon. Die Suppe ist auf Kokos- und Erdnussbasis, enthält – neben den obligatorischen Nudeln – viel frisches Gemüse und schmeckt einfach großartig. Zum Nachtisch gibt es noch einen Matcha-Donut und -Eis, beides ebenfalls saulecker. Also hat sich die Fahrt hierher doch gelohnt!

Hauptbahnhof und KITTE-Aussichtsplattform

Weiter geht es im Programm: Das nächste Ziel ist der Hauptbahnhof von Tokyo. Dort gibt es nämlich das KITTE-Einkaufszentrum, das über eine frei zugängliche (und kostenlose) Aussichtsplattform, dem KITTE Garden, verfügt. Die Plattform liegt nicht super-hoch, aber die Aussicht ist dennoch richtig toll! Unbedingt empfehlenswert. Beim Heruntergehen stöbern wir noch in dem einen oder anderen hier untergebrachten Laden, aber das ist nicht ganz unsere Preisklasse. Etwas zu teuer.

Weil wir schon da sind, erkunden wir auch gleich mal den Hauptbahnhof selbst. Schließlich soll es am Donnerstag von hier aus weitergehen. Wir merken, dass der Weg zu den Shinkansen-Gleise gut beschildert ist, die Namen der jeweiligen Züge werden zusätzlich auf Englisch angezeigt. Einen Reservierungsautomaten entdecken wir auch sehr schnell. Sehr gut. Das sollte genügen, damit wir uns zurechtfinden.

Nicht weit entfernt vom Hauptbahnhof liegt das weitläufige Gelände des Kaiserpalastes. Wir hatten im Vorfeld herausgefunden, dass für die Besichtigung ein zwar kostenloses, aber vorab zu reservierendes Ticket nötig ist. Wir haben aber ebenfalls gelesen, dass die meisten den Besuch nicht lohnenswert fanden. Der Teil, den man sich anschauen darf, gibt wohl nicht viel her. Also haben wir keine Tickets reserviert, sondern beschränken uns auf einen Spaziergang durch den riesigen Park und machen eine kurze Pause auf einer der Bänke.

Es ist ziemlich heiß heute, das strengt an. Nach dem Weitergehen merke ich nach einiger Zeit, dass ich mein Handy auf der Bank liegengelassen habe. Aufgelöst renne ich zurück – ohne mein Handy wäre ich aufgeschmissen – und finde es voller Erleichterung genau dort, wo ich es abgelegt habe. Obwohl schon einige Menschen vorbeigegangen sein müssen, hat es niemand mitgenommen. Auch das ist Japan!

„Electric Town“ Akihabara

Wir marschieren zurück zum Hauptbahnhof und steigen in die U-Bahn nach Akihabara, der „Elektrostadt“. Das ist das Nerd/Otaku-Viertel von Tokyo, ein Eldorado für Computerspiel-, Anime-, Manga- oder einfach nur allgemeinen Elektronik-Fans. Das Viertel ist bunt, schrill und hektisch. An jeder Straßenecke finden sich Spielarcaden mit den verschiedensten elektronischen Spielen, Läden mit allem nur erdenklichen Zeug für Sammler:innen, Spieler:innen oder Cosplayer, hinzu kommen Maid-Cafes und Millionen bunter Werbetafeln. Herrlich!

Da sowohl Marvin als auch ich mit Leidenschaft Computerspiele spielen, fühlen wir uns hier sofort wohl und stöbern begeistert durch die Läden. Ich entdecke sogar gleich das perfekte Mitbringsel für meinen (von Geburt an blinden) Sohn: Ein sogenanntes Otamatone. Japanischer geht es kaum 🙂

Letztes Ziel für heute: Sensoji-Tempel, Asakusa

Als wir von Akihabara endlich genug haben, ist es früher Nachmittag, doch unser Besichtigungsdrang ist noch nicht zu Ende. Ein Ziel haben wir heute noch und steuern es per U-Bahn auch gleich an: das Viertel Asakusa, genauer gesagt den Sensoji, der älteste Tempel in Tokyo. Als wir in Asakusa aus dem U-Bahnhof treten, wird uns die Vielseitigkeit dieser überwältigenden Stadt erneut bewusst: Auf auf der östlichen Seite des Suminda-Flusses bietet sich ein fast schon surrealer Blick auf die dortigen futuristischen Gebäude wie z.B. dem Tokyo Skytree. Und nach einem kurzen Fußmarsch Richtung Westen tauchen wir ein in das Gelände rund um den vor 1.400 Jahren erbauten Sensoji-Tempel.

Es ist viel los hier, trotzdem stört uns das Gewühl nicht. Zum einen sind auch hier die Menschen zurückhaltend, keiner drängelt oder schubst, zum anderen gibt es einfach viel zu viel zu bestaunen. Der Weg zum Schrein – die Nakamise-dori-Straße – ist gesäumt von Essens- und Souvenirläden. Mitbringsel wollen wir hier keine kaufen, aber unsere Mägen knurren bereits wieder ein wenig (kein Wunder, nach den langen Fußmärschen heute). Wir blicken uns um und entdecken einen Stand mit Ningyo Yaki, kleinen Kuchen aus Sponge Cake-Teig, gefüllt mit süßer Bohnenpaste. Die stehen schon lange auf unserer „unbedingt mal ausprobieren“-Liste, also her damit. Fünf Stück kosten lächerliche 300 Yen (das sind ungefähr 1,80 Euro), also weniger als 40 Cent pro Stück. Nachdem uns die Verkäuferin die Papiertüte mit den noch warmen Kuchen in die Hand gedrückt hat, zückt sie sofort ein Pappschild, auf dem in mehreren Sprachen steht, man dürfe hier auf der Straße nicht essen.

Streetfood in Japan – Essen verboten

Das verwirrt uns. Take away food wird zwar verkauft, aber essen darf man es hier nicht? Wir verdrücken uns in eine ruhige Nebengasse und essen dann jeder verstohlen und unter ständigen Seitenblicken, damit man uns dabei nicht erwischt, je einen der kleinen Kuchen, um den ärgsten Hunger zu stillen. Danach gehen wir zurück, machen eine kleine Pause an einem der zahlreich in der gesamten Stadt verteilten Getränkeautomaten, ziehen uns gekühlte Getränke (es ist immer noch sehr heiß) und googeln auf unseren Handys, was es mit dieser skuril anmutenden Essens-Regel auf sich hat.

Nun, wie so oft gibt es hierfür gleich mehrere (gute) Gründe. Zum einen haben die Japaner eine andere Einstellung zum Essen als z.B. wir in Deutschland. Es gilt als ungehörig, es im Gehen zu verspeisen, weil dem Essen dann nicht genug Wertschätzung entgegengebracht wird. Zudem besteht die Gefahr, seine Mitmenschen durch Krümel oder Essensgerüche zu belästigen, auch das ein No Go. Doch das alles wären „nur“ schlechte Manieren, der Hauptgrund für das Verbot ist der Müll, der dadurch in der Vergangenheit an Touristen-Hotspots entstanden ist. Da schäme ich mich doch gleich wieder für meine Reisekolleg*innen … müssen diese Deppen denn wirklich immer alles auf den Boden schmeißen? Es sollte doch selbstverständlich sein, seinen Müll wieder mitzunehmen! (Kleine Anmerkung an dieser Stelle: Eine weitere Eigentümlichkeit in Japan ist, dass es so gut wie keine öffentlichen Mülleimer gibt. Trotzdem sind die Straßen und Gehwege blitzsauber. Ein wichtiges Utensil auf einer Japanreise ist somit eine kleine Plastiktüte für den anfallenden Abfall).

Eine dunkle Vorhersage

Weiter geht es mit der Besichtigung. Der Sensoji-Tempel ist grandios. Genau so haben wir uns japanische Tempel vorgestellt. Der angenehme Duft nach Räucherstäbchen wabert durch die Luft, an einem Brunnen kann man frisches Wasser trinken (die Trinkwasserqualität in Japan ist übrigens sehr hoch, man kann es bedenkenlos konsumieren) und das Wetter ist herrlich.

Plötzlich hören wir rhythmische Geräusche, die an das Schlagen eines Tamburins erinnern. Neugierig treten wir näher und erkennen, dass es sich um Omikuji handelt, eine Art Glückslotterie.

Dieses Geräusch können wir zuerst nicht zuordnen …

Gegen eine kleine Spende nimmt man sich einen Metallbehälter, in dem sich dutzende von Holzstäbchen befinden. Die Höhe der Spende ist vorgegeben (bei uns waren es 100 Yen, ca. 60 Cent), es wird jedoch nicht direkt abkassiert, sondern erwartet, dass man das Geld in die dafür vorgesehene Box wirft (was hier bei den Japanern auch vorbehaltslos funktioniert; wobei ich jetzt nicht wissen möchte, wie viele Touristen sich wieder um diesen Mini-Obolus drücken – möge ein böser Fluch sie verfolgen!). Diesen Behälter schüttelt man dann so lange, bis aus einem kleinen Loch eines der Stäbchen herausfällt (das verursacht diese Geräusche – überall um uns herum wird eifrig geschüttelt). Auf dem Stäbchen findet sich eine Beschriftung, mit Hilfe derer man wiederum eine der vielen kleinen Schubläden an der Wand identifiziert. In der gefundenen Schublade befindet sich dann ein Zettel mit der persönlichen Zukunftsvorhersage. Ganz schlechte Vorhersagen können gefaltet und an einem der dafür vorgesehenen Holz-Ständer geknotet werden – in der Hoffnung, das Unglück dadruch abzuwenden.

Marvin und ich müssen das natürlich beide gleich mal ausprobieren. Mein Stäbchen fällt recht schnell heraus und meine Vorhersage ist super-gut, alles im grünen Bereich. Bei Marvin ziert sich das Stäbchen etwas, aber als auch er endlich seine Vorhersage in den Händen hält, verdüstert sich sein Blick. Er hat lediglich „medium fortune“, von einer Reise wird ihm sogar zum aktuellen Zeitpunkt abgeraten. Hm. Wir sind nicht abergläubisch, aber knoten seine leicht verstörende Vorhersage dann doch schnell an einen der Anti-Pech-Ständer (nur zur Sicherheit) und machen uns danach auf den Weg zurück zum Hotel.

Was für ein langer und ereignisreicher Tag! Doch er ist noch nicht vorbei. Am Abend müssen wir nämlich feststellen, dass die Vorhersage für Marvin tatsächlich gestimmt hat. Doch das ist eine längere Geschichte und ich widme ihr daher ein eigenes Kapitel. Jaja, ich weiß – böser Cliffhanger. Aber ich verspreche, dieses Kapitel schnellstmöglich zu schreiben 🙂

Überblick

Datum: Montag, 25. September 2023
Unterkunft: Henn na Hotel Tokyo Akasaka