Hakone: Onsen und Kaiseki im Ryokan

Heute verlassen wir das inzwischen vertraute Tokyo. Hierfür müssen wir gleich zwei Hürden meistern: Das Reservieren von Sitzplätzen im Shinkansen und das Fahren mit einem Bus ins japanische Hinterland. Hoffentlich geht das gut!

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Unser Reiseplan sieht vor, dass wir heute unser nächstes Ziel ansteuern. Ein schneller Test in der Früh zeigt, dass wir das auch riskieren können: Marvins Strich ist kaum noch sichtbar und ich bin weiterhin negativ. Auch Marvins Verfassung ist prima, also spricht nichts gegen eine Weiterreise. Zumal die uns nicht allzu weit weg führt: Hakone liegt nur knapp 100 km süd-westlich von Tokyo. Trotzdem haben wir ein etwas mulmiges Gefühl, denn heute ist es soweit: Wir müssen Shinkansen fahren!

Shinkansen – der japanische Schnellzug

Shinkansen zählen zu den schnellsten nach regulärem Fahrplan verkehrenden Zügen der Welt. Gleichzeitig auch zu den pünktlichsten. Das macht sie zu einem sehr bequemen und zuverlässigen Reisemittel. Der von uns gebuchte Rail Pass erlaubt die kostenlose Nutzung, ausgenommen sind hier lediglich ein paar wenige Super-Züge. Zusätzlich hatten wir uns im Vorfeld bewusst für die 1. Klasse-Variante entschieden – dem sogenannten Green Pass – weil zu unserem Reisezeitpunkt der Preisunterschied nicht allzu groß war und es hieß, dass in Stoßzeiten die anderen Abteile gerne auch mal ausgebucht sind.

Sitzplätze reservieren ist Pflicht

Es ist durchaus möglich, einfach so in einen Shinkansen einzusteigen. Es gibt speziell ausgewiesene Wagons für Menschen, die nicht reserviert haben. Doch zum einen sind diese Wagons nicht für die erste Klasse verfügbar (und wofür haben wir dann den Aufschlag gezahlt), zum anderen kann es durchaus passieren, dass man dort auch keinen Sitzplatz mehr bekommt. Grundsätzlich sollte man also reservieren.

Wir haben uns vor der Reise Videos angeschaut, in denen dieser Vorgang erklärt wird. An Bahnhöfen mit Shinkansen-Anbindung gibt es hierfür Automaten, die auch auf Englisch bedient werden können. Als Rail Pass-Benutzer muss man zuallererst in das Rail Pass-Menü gelangen. Hier waren die Videos extrem hilfreich: Dieses Menü versteckt sich nämlich hinter einem Rail Pass-Symbol am unteren Rand des Automatenbildschirmes. Hätten wir das nicht gewusst, hätten wir es als simples Werbe-Logo missgedeutet.

Befindet man sich im richtigen Menü, so gibt man den gewünschten Zielbahnhof ein und es wird eine Auswahl an passenden, demnächst abfahrenden Zügen angezeigt. Man wählt einen aus, klickt auf den gewünschten Wagon und markiert die benötigten Sitzplätze (es ist möglich, mehrere Sitzplätze auf einmal zu reservieren). Nach ein paar weiteren Klicks und der Eingabe der Rail Pass-IDs wird für jeden Platz ein Reservierungsticket im Fahrkartenformat ausgedruckt. Dieses Ticket muss zusammen mit dem Rail Pass in den Kartenschlitz am Durchgang zu den Shinkansen-Gleisen eingeführt werden. Man legt die beiden Kärtchen dafür einfach übereinander, auf der anderen Seite der Schranke kommen sie dann wieder raus. Soweit die Theorie. Hoffentlich bekommen wir das auch in der Praxis hin!

Abschied nehmen vom Henn na-Hotel

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen zusammen und werfen noch einen letzten Blick auf unser Zimmer. Der Abschied fällt uns nicht ganz leicht, haben wir hier doch schon so viele Dinge erlebt. Insbesondere „unser“ Hotelangestellte wird uns immer im Gedächtnis bleiben. Er hat heute leider keinen Dienst, sonst hätten wir uns noch persönlich von ihm verabschiedet. Wir verlassen das Hotel also mit gemischten Gefühlen: etwas Wehmut, weil uns dieser Platz ans Herz gewachsen ist, gleichzeitig aber auch Vorfreude auf das heutige Ziel.

Der Kampf mit dem Reservierungsautomaten

Da wir im U-Bahn-Fahren ja schon Profis sind, dauert es nicht lang, bis wir am Hauptbahnhof von Tokyo angekommen sind. Gut. Wir studieren als erstes die Anzeigen zu den Shinkansen, die demnächst (aber nicht allzu bald) abfahren, und merken uns zwei der angezeigten Namen (Shinkansen haben immer auch Namen, anhand derer man sie gut identifizieren kann). Dann begeben wir uns an den (bereits am Montag ausgekundschafteten) Reservierungsautomaten und legen los. Zu unserer Freude funktioniert alles so, wie wir es in den Videos gesehen haben. Bis wir die Rail Pass-IDs eingeben müssen. Im Video war zu sehen, wie hierfür die ersten vier Zeichen dieser IDs eingetippt werden. Genau diese Zeichen sind auf unseren Pässen auch gelb markiert. Doch der Automat hier spuckt immer eine Fehlermeldung aus. Er akzeptiert weder meine noch Marvins Teil-ID. So ein Mist aber auch!

Wir schaffen es schließlich doch in den Zug

Da sich inzwischen eine Schlange an anderen Reservierungswilligen hinter uns gebildet hat, brechen wir den Vorgang verunsichert ab und gehen in das danebenliegende Bahnhofsbüro. Hier am Schalter kann man ebenfalls Sitzplätze reservieren und die Bahnangestellte spricht glücklicherweise perfekt Englisch. Während sie den Reservierungsvorgang für uns durchführt, beobachte ich sie ganz genau. Dabei fällt mir auf, dass sie beim Abtippen der IDs deutlich häufiger auf Tasten drückt als nur vier Mal. Kann es sein, dass wir das Video falsch verstanden haben? Dass nicht nur die ersten vier Zeichen eingegeben werden müssen, sondern die gesamte ID? Spoiler: Richtig, genau das war unser Fehler. Beim nächsten Reservierungsversuch am Automaten einen Tag später haben wir jeweils die kompletten IDs eingegeben und prompt hat alles geklappt. Von da an war das Reservieren überhaupt kein Problem mehr 🙂  

Am Bahnsteig selbst finden wir dank der auch hier überall angebrachten Markierungen sehr schnell den Bereich, an dem unser Wagon halten wird. Und bald darauf sitzen wir erleichtert das erste Mal in einem Shinkansen. Schon sehr beeindruckend, diese Züge. Und die Green Cars sind noch mal deutlich luxuriöser als die 1. Klasse in Deutschland. Kaum vorstellbar, wie erst die in manchen Zügen angebotene Gran Class sein mag, eine weitere Steigerung der Wagenklasse. Wir jedenfalls sind mit unserer Wahl rundherum zufrieden. So lässt es sich reisen!

Zweite Hürde: Bus fahren

Kaum 40 Minuten später verlassen wir den Zug am Bahnhof Odawara. Jetzt kommt die zweite Aufgabe auf uns zu, bei der uns etwas mulmig ist: Von hier aus müssen wir mit dem Bus weiterfahren. Vorab hatten wir über Google-Maps schon einmal die Lage der Haltestelle ausgekundschaftet, zudem wissen wir, dass wir den Bus mit der Suica-Card zahlen können – also beim Einsteigen die Card an ein Lesegerät halten und beim Aussteigen erneut. Das kriegen wir hin. Aber wie erkennen wir, wann wir den Bus verlassen müssen?

Nun, es stellt sich schnell heraus, dass unsere Sorgen vollkommen überflüssig sind. Zuerst einmal ist der Weg zu den Bussen nach Hakone am Bahnhof an allen Ecken und Enden ausgeschildert. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die meisten Menschen hier nur aussteigen, um dorthin weiterzufahren.

Dann kommt an der Haltestelle eine quirlige Japanerin auf uns zu, die uns erstaunlicherweise sofort als Touristen erkannt hat, und fragt, wohin wir denn genau wollen. „Mount View Hotel“, antworten wir – und sofort hält sie uns eine mehrsprachige Tabelle mit allen Haltestellen vor das Gesicht, den Finger auf eine davon gelegt. Wir müssen uns die Nummer dieser Haltestelle merken, erklärt sie uns, das wäre die richtige. Im Bus selbst würde das auch noch angezeigt werden. In Hinblick auf mein eher schlechtes Gedächtnis mache ich schnell ein Foto der Tabelle, dann kommt auch schon der Bus und wir steigen mit gefühlt hundert anderen Touristen ein. Wir finden trotzdem einen schönen Sitzplatz und los geht es.

Mount View ohne Mount

Die Busfahrt dauert fast eine Stunde, ist aber sehr kurzweilig, weil wir die Ausblicke auf die immer grüner und gebirgiger werdende Landschaft genießen. Als die digitale Anzeige oberhalb der Frontscheibe des Busses schließlich unsere Haltestelle ankündigt, hat sich der Bus schon stark geleert und wir können ohne Schwierigkeiten unser Gepäck einsammeln und aussteigen.

Das Hotel befindet sich direkt an der Haltestelle (die sogar nach dem Hotel benannt ist). Der Name „Mount View Hakone“ bezieht sich darauf, dass bei guten Wetterverhältnissen von hier aus der Fuji zu sehen ist. Aber wir haben kein Glück, der höchste Berg Japans versteckt sich hinter einem diesigen Himmel.

Ein traditionelles Hotel

Es gibt außer dem (fehlenden) Fuji-Blick noch drei weitere Gründe, warum wir diese Unterkunft gewählt haben. Zuerst einmal handelt es sich um einen Ryokan, also ein traditionell eingerichtetes japanisches Hotel. Unser ziemlich großes Zimmer ist mit echten Tatami-Matten ausgelegt, die nur barfuß bzw. in Socken betreten werden dürfen.

Die Schuhe müssen im Eingangsbereich (des Zimmers – nicht des gesamten Hotels) ausgezogen werden. Für das Betreten der Toilette stehen separate Sandalen zur Verfügung (die wiederum nach Verlassen der Toilette wieder abgelegt werden müssen – kaum etwas ist peinlicher, als sich mit den Klo-Sandalen irgenwo anders erwischen zu lassen). Geschlafen wird auf Futons, die sehr gemütlich aussehen, und an einem sehr niedrigen Tisch begrüßen uns eine Süßigkeit und Utensilien zur Zubereitung von grünem Tee.

Wir legen unser Gepäck in die geräumigen Schränke, setzen uns an den Tisch (gut, dass ich zuhause den Schneidersitz geübt habe – jetzt schaffe ich es wenigstens halbwegs, ohne dass mir die Beine einschlafen) und genießen jeder eine frisch zubereitete Tasse zusammen mit der Süßigkeit. Der Weg hierher wäre also schon einmal geschafft!

Japans heiße Quellen

Der zweite Grund für die Wahl dieses Hotels sind die zwei Varianten von Onsen, die hier angeboten werden. Zum einen gibt es nach Geschlechtern getrennte öffentliche Onsen für die Besucher des Hotels, zum anderen kann man auch kleine private Onsen reservieren. Letzteres haben wir beim Einchecken getan – und zwar für die Zeit nach dem Abendessen (45 Minuten für knapp 20 Euro, also echt nicht teuer). Und die öffentlichen Onsen wollen wir jetzt besuchen – vorausgesetzt, sie sind nicht so voll (wegen Corona). Wir studieren die Anleitungen, die im Zimmer ausliegen (zusammen mit anderen Annehmlichkeiten wie kleinen Handtüchern oder Tabi-Zehensocken zum Mitnehmen). Dann machen wir uns auf den Weg in den Keller, Marvin in die eine, ich in die andere Richtung.

Der Frauen-Onsen ist tatsächlich nur von einer anderen Frau besucht, die noch dazu gerade am Gehen ist. Ich kann also in aller Ruhe und völlig alleine nach einer ausgiebigen Reinigung das dampfende Becken im sichtgeschützten Garten des Hotels betreten. Professionell lege ich mir das zusammengefaltete Handtuch auf den Kopf. Allerdings halte ich es nur wenige Minuten im Becken aus, denn das Wasser ist viel heißer, als ich es gewohnt bin, und ich habe Angst, beim Aufstehen in Ohnmacht zu fallen, wenn ich zu lange drin bin. Vielleicht ganz gut, so ein künstliches Fieber brennt die Viren weg, aber jetzt muss ich hier wieder raus! Ich schaffe es ohne Unfälle aus dem Becken und noch immer glühend zurück ins Zimmer. Nicht lange danach taucht Marvin wieder auf und erzählt, dass der Männerbereich genauso leer war. Schön – so konnten wir das ausprobieren, ohne Angst, jemanden anzustecken. Das heiße Bad hat uns müde gemacht, so dass wir den restlichen Nachmittag ruhen.

Ein hervorragendes Abendessen

Der dritte Grund, warum wir hier sind, ist das enthaltene Abendessen im Kaiseki-Stil, also ein gehobenes Menü mit zehn Gängen. Wir leben seit einigen Jahren vegetarisch und konnten beim Buchen eine vegane Variante auswählen (ein weiterer Pluspunkt für dieses Hotel). Den genauen Termin für unser Essen haben wir beim Einchecken ausgewählt und nun wird es Zeit, sich dafür vorzubereiten. Das Hotel wünscht nämlich, dass man in traditioneller japanischer Kleidung zum Essen erscheint, alles dafür Notwendige hängt in einem Kleiderschrank im Zimmer. Sogar eine Anleitung zum korrekten Anziehen des Yukata finden wir vor – und haben viel Spaß beim Umziehen 🙂

Wir fühlen uns sehr japanisch, als wir schließlich unseren Platz im Essenssaal einnehmen. Die einzelnen Tische sind voneinander abgetrennt und alle Bedienungen tragen Masken, so dass wir mit gutem Gewissen ohne Maske essen können. Das Essen ist fantastisch! Hier lassen wir am Besten unsere Bilder sprechen:

Und noch ein letztes Mal ins heiße Becken

Nach beendetem Mahl würden wir am liebsten gleich wieder faul ins Bett fallen, aber schließlich haben wir ja noch den privaten Onsen gemietet. Wir lassen unsere Yukatas gleich an und begeben uns erneut in den Keller.

Es gibt mehrere private Onsen zur Auswahl, doch nur einer davon bietet eine Gemeinschaftswanne. Da dieser schon ausgebucht war, haben wir einen mit zwei separaten Steinwannen gewählt. Das Besondere an den Räumen ist die Öffnung zum Garten hin. Es ist unbeschreiblich beruhigend, in dem heißen Wasser zu sitzen und dabei dem Geplätscher der Hähne und den leisen Geräuschen aus dem Garten zu lauschen.

Hocherhitzt und tiefenentspannt landen wir letztendlich auf unseren Futons und fallen schnell in einen erholsamen Schlaf. Was für ein langer, ereignisreicher Tag!

Überblick

Datum: Donnerstag, 28. September 2023
Unterkunft: Mount View Hakone