Nach der außergewöhnlich schönen Landschaft Norwegens empfinden wir das, was wir von Schweden bisher zu sehen bekommen haben, als tendenziell langweilig. Was natürlich unfair ist, denn auch diese Gegend bietet sehr viele außerordentlich reizvolle Ausblicke – nur sind diese eben nicht so spektakulär wie in Norwegen. Es ist nun einmal schwer, mit dem König der Naturwunder mitzuhalten. Wer sich Schweden also nicht verderben möchte, sollte seine Erwartungen entsprechend anpassen – oder aber seine Reiseroute so planen, dass sie zuerst durch Schweden und dann erst durch Norwegen führt.
Nun, wir befinden uns noch in der Enttäuschungsphase und machen uns heute gar nicht erst die Mühe, nach kleinen Nebenstraßen zu suchen, sondern wählen die direkteste Route nach Süden, die Schnellstraße E45 Richtung Trollhättan (was für ein Name – großartig^^).
Die Straße hält, was sie verspricht (Schnelligkeit), und sie ist stark befahren. Die Zurückhaltung der Skandinavier macht sich aber auch hier bemerkbar, zu keiner Zeit fühlen wir uns von den anderen Fahrzeugen bedrängt. Störungsfrei gleiten wir bei ausgezeichnetem Wetter vorbei an Wäldern und Wiesen, immer wieder blitzt das Wasser des Vänerns links von uns durch, und die für Schweden so typischen roten Holzhäuser sind dekorativ in der Landschaft verteilt. Hm. Vielleicht ist es ja doch nicht so langweilig hier?
Ein Abstecher, der sich gelohnt hat
Ungefähr auf der Höhe von Trollhättan beschließen wir daher bei einer Tankpause, es doch noch einmal mit kleinen Nebenstraßen zu versuchen, und biegen auf gut Glück in die Pampa ab. Was für eine gute Entscheidung! Sofort macht das Fahren wieder Spaß. Zwar gibt es auch hier keine spektakulären Aussichten, dafür aber sanfte Hügel, urwüchsige Wälder, dazwischen gestreute Seen und Wiesen sowie malerische Bauernhöfe, drapiert an schmalen, kaum befahrenen und wenigstens ab und zu mal kurvigen Straßen. Sehr schön! Vor lauter Freude vergessen wir prompt das Fotografieren – hier daher, für einen kleinen Eindruck – die Google-Street-View:
Erst in der Nähe der Küste wird der Baumbewuchs dünner und die Straßen erneut schnurgerade. Da es inzwischen aber schon wieder sehr heiß ist, freuen wir uns nun hauptsächlich aufs Ankommen. Wir haben Marstrand lediglich aufgrund der Bilder von Google Maps als Ziel auserkoren, haben also im Grunde keine Ahnung, was uns genau erwartet. Schären, wie wir hoffen. Und ein wenig Ruhe und Entspannung am hoffentlich nicht allzu überfüllten Strand.
Nun ja … aber lest selbst.
Jubel, Trubel, Heiterkeit
Marstrand verteilt sich auf zwei Schäreninseln (Koö und Marstrandsö), ungefähr 40 km nördlich von Göteborg. Der ältere Bereich der Stadt samt der prägnanten Festung Carlsen befindet sich auf der autofreien Marstrandsö und ist nur per Fähre erreichbar. Unser Campingplatz wiederum liegt auf Koö, ein paar hundert Meter östlich des Stadtrandes, inmitten eines idyllischen Tales zwischen Schärenfelsen.
Schon auf dem Weg fällt uns auf, dass die einzige dorthin führende Straße zunehmend bevölkert ist. Kurz vor der Brücke nach Koö artet das fast in einen Stau aus, wir kommen nur noch langsam voran. Da heute jedoch Samstag und das Wetter badetauglich ist, denken wir uns noch nichts dabei. Auch die Schweden verbringen schöne Wochenenden schließlich gerne am Meer. Etwas mulmig ist mir zwar bezüglich des Campingplatzes, doch als wir einige Minuten später dort ankommen, ist noch genug Platz für uns – auch wenn der ausgewiesene Zeltbereich im Vergleich zum restlichen Campingplatz eher klein ist. Stellplätze für Wohnmobile und Caravans sind hier eindeutig in der Überzahl.
Wir schmeißen das Gepäck ab, errichten unser Lager, duschen und machen uns schließlich auf zu unserer Entdeckungstour. Ein kurzer Abstecher zum campingplatzeigenen Schärenstrand ist eher enttäuschend. Zwar ist die Bucht sehr schön, doch das in einer Ecke eingeleitete Schmutzwasser nimmt uns jegliche Lust, hier zu baden. Im Gegensatz zu einigen anderen Gästen, darunter auch Kinder, die das weniger zu stören scheint …
Nun, wir verzichten dankend, wandern lieber eine Weile auf den Felsen herum und entdecken dabei einige sehr schöne Aussichtspunkte. Als wir uns schließlich an den Schären sattgesehen haben und dafür unsere Mägen (speziell meiner) immer lauter zu knurren anfangen, ändern wir die Richtung und marschieren los in Richtung Stadt. Weit ist es ja nicht vom Campingplatz aus.
Kurz vor den ersten Häusern passieren wir einen riesigen, vollkommen mit Autos zugestellten Parkplatz. So langsam dämmert es uns, dass wir hier wohl kein einsames Fischerdörfchen vorfinden werden. Und tatsächlich: Je näher wir zum Hafen kommen, umso mehr nimmt der Trubel zu, überall sieht man Menschengrüppchen und die Fähre nach Marstrandsö verkehrt heute sogar völlig kostenlos. Was ist da los? Auf der anderen Seite des Ufers entdecken wir endlich den Grund: Heute ist der erste Tag der Segelregatta Match Cup Sweden – und der wird kräftig gefeiert.
Nun, nicht ganz das, was wir erwartet haben, aber was soll’s, interessant ist es allemal! An allen Ecken spielt Musik – teilweise live, teilweise aus den Lautsprechern der zahlreich vor Anker liegenden Boote -, der appetitanregende Duft gegrillten Fleisches wabert durch die Luft und gut gelaunte sowie knapp gekleidete Schweden und Schwedinnen flanieren durch die Straßen.
Recht bald wird es uns aber zu viel (besser gesagt: mir – scheinbar habe ich heute meinen Ich-will-Kekse-und-ansonsten-meine-Ruhe-Tag) und wir starten einen letzten Versuch, dem Gewühl etwas zu entgehen. Hoffnungsvoll schlagen wir uns in die relativ steil nach oben führenden Gassen Richtung Festung Carlsen. Nachdem wir es aber auch nach mehrmaligem Richtungswechsel nicht schaffen, den Eingang zur Burg zu finden, habe ich endgültig keine Lust mehr. Ich will etwas essen, und zwar sofort! Ich ignoriere Marvins Behauptungen, das Burgtor läge in Sichtweite vor uns, zerre ihn ungeachtet seiner beharrlichen Proteste zurück zum Hafen – und endlich bekommt mein Magen, was er schon die ganze Zeit will: vitaminreiche und kalorienarme (oder war das umgekehrt?) Burger mit Pommes!
Was wäre Schweden ohne ABBA…
Jetzt bin ich vollgefressen, zufrieden – und des ganzen Wirbels um uns herum endgültig überdrüssig. Marvin hat sich ebenfalls sattgesehen (oder es aufgegeben, mich noch zu etwas anderem überreden zu wollen), daher schlurfen wir zurück in Richtung Campingplatz und freuen uns auf einen ruhigen, gemütlichen Kniffel-Abend (und ein paar Kekse).
Tja – Pustekuchen. Dort angekommen müssen wir nämlich entsetzt feststellen, dass die Festlichkeiten hier beileibe nicht enden: Das wohlmeinende Campingplatzteam hat eine Zwei-Mann-Band engagiert, die ihre Soundanlage während unserer Abwesenheit direkt neben der Zeltwiese (wo auch sonst) aufgebaut hat – und uns nun enthusiastisch und lautstark mit alten ABBA-Songs beglückt.
Zum Glück mag ich deren Musik.
Und zum Glück endet sie pünktlich um 23 Uhr … 🙂
Routenüberblick
Datum: 4. Juli 2015
Schwierigkeitsgrad: einfach – fahrtechnisch streckenweise eher langweilig
Dauer: 175 km, ca. 2h 45min
Eindrücke: Inland landschaftlich schön, aber erst am Meer so richtig toll (Schären!)
Partyyyy, yeah! Ist doch tollwir waren im selbem Jahr in Norwegen/Schweden. Ich das erste Mal. Es war fast genau so. Nach dem zwar nassen und grandiosen Norwegen fand ich Schweden derbe öde. Im übrigen war bei unserer Tour Bergen auch sonnig letztes Jahr waren wir auch wieder in Skandinavien. Diesmal war Schweden nass und Norwegen sonnig. In Schweden sind wir, wenn es einigermaßen trocken war, die ganz ganz kleinen Sträßchen gefahren. Das war super
Nordische Grüße
Wibi
Im Nachhinein finde ich es auch lustig^^. Nur hatten wir – speziell ich – an diesem Tag überhaupt keine Lust auf andere Leute. Oder laute Musik. Oder ABBA.