Anleitung: Kette wechseln bei der BMW F 800 GS – so klappt’s

Das Ritzel wird dünn und das Hinterrad ist schon am Anschlag - Zeit für einen Kettenwechsel. So klappt's bei der BMW F 800 GS.

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Je nach Pflege und Verschleiß kann eine Motorradkette bis zu 40.000 km lang halten. Aber irgendwann wirft das Bindeglied zwischen Motor und Hinterrad das Handtuch. Typische Zeichen für einen anstehenden Kettenwechsel sind abgeriebene Kettenritzel (Haifischzähne), unruhiger Kettenlauf (Ausschlagen) oder eine starke Längung (die Kette lässt sich über eine halbe Zahnhöhe vom Hinterradritzel ziehen). Ein neuer Kettensatz schafft all diese Probleme aus der Welt.

Leider ist die Standardkette bei der BMW F 800 GS endlos vernietet und kann laut Handbuch nicht ohne den Ausbau der ganzen Hinterradschwinge entfernt werden. Sollte man sich also lieber die Kopfschmerzen ersparen und gleich zur Werkstatt gehen? Keine Sorge – denn mit ein paar Werkzeugen und etwas Geschick klappt der Kettenwechsel auch ohne große Umbauten am Motorrad problemlos.

Hinweis: Diese Anleitung ist unter Hinzunahme von Fachliteratur und nach besten Wissen und Gewissen erstellt worden, für eventuelle Schäden am Motorrad muss aber jeder selbst haften.

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Die sah doch noch gut aus!

Obwohl meine sechs Jahre alte Kette bereits einige Abenteuer mitgemacht hat, war sie trotz Rost mechanisch gesehen noch in einem relativ guten Zustand. Aber im Zuge einer generellen Frühjahrsrestaurierung meiner BMW, bei der ich die Kette ohnehin hätte abnehmen müssen, habe ich mir hier vorzeitig einen neuen Kettensatz gegönnt und mir die Schrubberei gespart. Die Arbeitsschritte bleiben natürlich auch bei einer völlig verschlissenen Kette gleich.

Kettenwechsel – das brauchen Sie

Das Wichtigste beim Kettenwechsel ist natürlich eine neue Kette – und zwar samt neuem Vorderritzel und Kettenrad. Man tauscht grundsätzlich immer alles zusammen aus, da sich sonst Beschädigungen/Verformungen auf die neuen Teile übertragen und die Haltbarkeit negativ beeinflussen. Glücklicherweise verkaufen viele Händler Komplett-Kettensätze, sodass man nicht alles einzeln kaufen muss.

Im Falle der BMW F 800 GS benötigt man eine 525er Kette mit 116 Rollen. Das vordere Ritzel muss 16 Zähne haben, das Kettenrad hinten dagegen 42 Zähne. Wichtig: Man sollte unbedingt darauf achten, keine Billigkette mit Federclipschloss zu kaufen. Die punktet zwar mit einfacher Montage, hat aber aufgrund mangelnder Sicherheit am Motorrad nichts zu suchen. Wer sich über all das nicht den Kopf zerbrechen will, kann etwa bei Louis das Motorradmodell auswählen und einfach den dazu passenden Kettensatz bestellen.

Bei einer standardmäßigen Nietschlosskette kommt man außerdem um ein Kettennietwerkzeug nicht herum. Das braucht man sowohl zum Trennen der Kette als auch zum erneuten Vernieten. Günstige Varianten fangen bei etwa 50 Euro an, hochwertigere Modelle findet man ab 100 Euro. Wofür man sich hier entscheidet, sei jedem selbst überlassen. Persönlich hatte ich mit dem Craft-Meyer Kettentrenn- und Vernietwerkzeug aber keine Probleme.

Zu guter Letzt empfiehlt BMW noch, dass die M10 bzw. M8-Schrauben und Muttern zur Halterung des Kettenrads und Vorderritzels erneuert werden sollten. Mit etwas Loctite kann man hier für zusätzliche Sicherheit sorgen.

Schritt 1: Die alte Kette abnehmen

Wie oben bereits erwähnt, heißt es seitens BMW, dass man die ganze Hinterradschwinge ausbauen muss, wenn man die Kette (intakt) abnehmen will. Diese Mühe machen wir uns hier nicht. Da wir die Kette nicht mehr brauchen, kann man sie genauso gut auftrennen. Alle folgenden Schritte macht man idealerweise auf dem Hauptständer.

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Tipp: Niete vorher abflexen

Wer dem Nietwerkzeug die Arbeit erleichtern will und eine Flex bzw. einen Dremel zur Hand hat, kann den Kopf der Niete vorher abschleifen. Das verringert die Kraft, die man zum Durchdrücken braucht, erheblich und schont den Nietdorn.

Als Erstes entfernt man die vordere Ritzelabdeckung sowie den Kettenschutz (bzw. löst zwei der drei Schrauben und biegt ihn etwas aus dem Weg). Anschließend dreht man die Kette so, dass sich die Niete der Wahl locker in der Mitte zwischen Kettenrad und Ritzel befindet. Nun setzt man das Nietwerkzeug entsprechend der Gebrauchsanweisung zum Entfernen einer Niete an.

In meinem Fall platziert man das hufeisenartige Stück hinter dem Kettenglied und hängt das Dornstück auf der anderen Seite ein, sodass sich die Kette nun „im“ Nietwerkzeug befindet. Danach dreht man den Dorn mit der Hand auf die Position der Niete und stellt unbedingt sicher, dass er sich mittig befindet (!) und das Kettenglied auf der anderen Seite sicher vom Nietwerkzeug gehalten wird. Ist alles bereit, nimmt man zwei Schraubschlüssel zur Hand und dreht die Niete mit Kraft aus. Hier lieber zu oft als zu selten kontrollieren, dass dabei nichts verrutscht.

Geht alles gut, sollte man schon bald merken, wie man die Niete durch das Kettenglied drückt, bis sie auf der anderen Seite herausfällt. Entfernt man das Nietwerkzeug nun wieder, sollte die Kette von ganz alleine auseinander fallen und sich ohne Probleme abziehen lassen.

Schritt 2: Hinterrad ausbauen

Ist die Kette erst einmal entfernt, lässt sich das Hinterrad ohne große Schwierigkeiten abnehmen. Zunächst muss man hierfür die ABS-Sensor-Halterung auf der linken Seite des Hinterrads lösen und den Sensor zur Seite in Sicherheit biegen.

Anschließend kann man die Achsmutter auf der rechten Seite lösen und abnehmen. Wer will, kann hier auch gleich die Abstandshalterung des Hinterrads lockern und die Schraube etwas in die Schwinge drehen. Das sollte man später ohnehin machen, um die neue Kette ohne Spannung anbringen zu können.

Wenn nicht schon geschehen, platziert man nun am besten eine Art Stütze unter dem Hinterrad, um das Austreiben der Achse zu vereinfachen. Dazu nimmt man einen Gummihammer und schlägt die Stange mit Gefühl nach links aus. Auf der anderen Seite kann man die Achse nun packen und per Hand herausziehen. Hier kann es sein, dass das Rad immer mal wieder hakt, aber mit etwas Wackeln sollte das kein Problem sein. Hat man die Achse schließlich in der Hand, lässt sich das Rad frei aus der Scheibenbremse herausziehen.

Tipp: Die gefettete Achse am besten geschützt abstellen, damit die Schmierung zum Wiedereinbau erhalten bleibt. Wer will, kann natürlich auch gleich neu fetten.

Schritt 3: Ritzel und Kettenrad wechseln

Kettenrad

Legt man das Hinterrad nun mit der Seite der Scheibenbremse auf einen Tisch, kommt man von oben gut an das Kettenrad heran. Hier gilt es, sechs Muttern zu entfernen, die jeweils auf der anderen Seite gekontert werden müssen. Sind alle abgenommen, lässt sich das Kettenrad (mit etwas Wackeln) nach oben abheben.

Hinweis: Zieht man das Kettenrad ab, kann es passieren, dass man dabei den ganzen Kettenblattträger mit abzieht. Doch keine Sorge: Der ist ohne Schrauben auf sogenannte Ruckdämpfer aus Gummi gedrückt. Hier kann man gleich überprüfen, ob die Ruckdämpfer beschädigt sind (abgeriebenes/gebrochenes Gummi im Lager).

Wer will, kann jetzt – wie ich – die Gelegenheit nutzen und mögliche Teerverschmutzungen vom Hinterrad und der Schwinge entfernen. So gut wird man so schnell wohl nicht mehr an alle Fugen und Schrauben herankommen.

Anschließend fettet man die Anlageflächen des Kettenblattträgers ein wenig und bringt das neue Kettenrad mit der Aufschrift nach außen an. Es wird empfohlen, die M10 bzw. M8-Schrauben zusätzlich mit Loctite zu sichern.

Kettenritzel

Die Schraube am vorderen Kettenritzel kann etwas fest sitzen, sodass man sie eventuell mit etwas Nachdruck dazu überreden muss, herauszukommen (sie war bei mir auch ab Werk mit Loctite gesichert). Wenn man die Schraube samt zwei Scheiben (Federscheibe & Unterlegscheibe) abgenommen hat, kann man das Ritzel einfach abziehen und alles reinigen. Wie auch beim Kettenrad, fettet man nun die Scheiben der Schraube ein wenig und bringt das neue Kettenritzel mit der Aufschrift nach außen an. Auch hier wird zum Sichern wieder Loctite empfohlen.

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Das Hinterrad wieder anbringen

Zum Einbau des Hinterrads stellt man den Sockel wieder unter die Schwinge und rollt das Rad in den Bremsblock ein. Das kann ein ganz schönes Gefummel werden, da sich das Rad auf einmal zu breit anfühlt, um wirklich in die Schwinge zu passen.

Hier kann es helfen, den Kettenblattträger beherzt in die Ruckdämpfer zu schieben, die Radachse also quasi zusammenzudrücken, bevor man das Rad einschiebt. Zweifellos ist man hier mit vier Händen besser dran als mit zwei. Anschließend einfach die Schritte aus Punkt 2 in umgekehrter Reihenfolge wiederholen. Dabei auch nicht vergessen, den ABS-Sensor wieder anzubringen.

Schritt 4: Neue Kette aufspannen und vernieten

Kettenritzel und Kettenrad sind ausgetauscht und das Hinterrad ist wieder eingebaut. So weit, so gut. Jetzt fehlt nur noch die neue Kette. Wer, wie ich, eine offene Kette mit Nietschloss gekauft hat, geht folgendermaßen vor:

Als Erstes stellt man sicher, dass das Hinterrad so weit wie möglich nach vorne geschoben ist. Danach zieht man die Kette vom Kettenrad auf das Kettenritzel auf und dreht dabei ein wenig am Reifen, um sich vorzuarbeiten. Schließlich sollte die Kette mit beiden Enden lose nach unten hängen. Nun nimmt man das Extra-Nietglied aus dem Kettensatz und fettet es großzügig ein. Man setzt zwei O- oder X-Ringe in die Nieten ein, verbindet die lose Kette mit dem Nietglied und positioniert auch auf der anderen Seite zwei O- oder X-Ringe. Das ganze sollte dann wie im Bild aussehen.

Dann geht es mit dem Nietwerkezug wieder ans Eingemachte. Zunächst muss man die „Kettenlasche“ mit dem Nietwerkzeug auf das angebrachte Kettenglied pressen. Dazu liegt beim Nietwerkzeug für gewöhnlich eine spezielle Platte bei. Die Vorgehensweise ist größtenteils identisch zum Trennen der alten Kette: Hufeisen hinter die Kette halten, Dorn vorne einhängen und mit zwei Schraubenschlüsseln eindrehen. Im Falle meines Nietwerkzeugs musste ich hierfür den Dorn vorher noch umdrehen, da eine andere Spitze verwendet wird. Am Ende sollte sich die Kettenlasche in Punkto Abstand möglichst perfekt in die anderen Kettenglieder einfügen.

Nun geht es ans Vernieten. Hierzu befolgt man am besten genau die Anweisungen des jeweiligen Nietwerkzeugs. Bei mir musste ich dazu lediglich die Andrückplatte aus dem Werkzeug entfernen und den Dorn von Markierung A auf Markierung B versetzen, und dann den üblichen Vorgang zum Andrücken wiederholen. Hier gilt es, darauf zu achten, dass man die (Hohl-)Niete mit dem Dorn auch wirklich in der Mitte trifft und dass das Kettenglied sicher vom Werkzeug gehalten wird. Erst dann sollte man mit dem Ausweiten der Niete beginnen.

Wichtig: Im oberen Bild ist zu Anschauungszwecken nur die linke Niete geweitet. Die Rechte muss natürlich ebenfalls noch geweitet werden!

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Die ideale Vernietung

Im Falle von DID-Ketten gilt es, den Durchmesser der Niete mit dem Dorn vorsichtig um ca. 0,2 Millimeter auszuweiten. Auf Nummer sicher geht man am besten mit einem Messschieber und häufigen Kontrollen. Auf keinen Fall sollte die Niete nach einem zu starkem Ausweiten am Rand Risse aufweisen oder die Kettenlasche zu eng an das Glied drücken, sodass die Beweglichkeit eingeschränkt wird!

Hat alles geklappt, kann man sich endlich über eine neue Kette freuen, die dem Motorrad hoffentlich auch auf den nächsten 40.000 km gute Dienste leistet. Zum Abschluss nur noch das Hinterrad neu spannen, sodass die Kettenspannung wieder stimmt (bei der F 800 GS 3,5 bis 4,5 cm), den Ketten- und Ritzelschutz wieder anbringen und die Kette etwas nachfetten. Nun sollte dem nächsten Abenteuer nichts mehr im Weg stehen!