Nara: Nickende Rehe und Tempel aus Holz

Wenn man googelt, was man sich bei einem Besuch in Japan alles anschauen sollte, so ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Nara mit dabei. Nicht nur aufgrund seiner Tempel (die alleine sind schon sehenswert), sondern wegen der zahmen Rehe, die sich dort herumtreiben.

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Nara liegt östlich von Kyoto und Osaka. Da es von Osaka aus etwas einfacher zu erreichen ist, haben wir es heute als Tagesausflugsziel eingeplant (Kyoto besuchen wir erst auf dem Rückweg unserer Rundtour durch Japan).

Bekannt ist Nara zwar auch für seine Historie – erste permanente Hauptstadt Japans, alte Tempel, usw. – aber wir geben zu, dass wir wegen einer gänzlich anderen Attraktion hin wollen, nämlich den offiziell als wildlebend geltenden, rund 1.000 Sika-Hirschen, die sich über das Gelände von Nara-Park verteilen, dort füttern und anfassen lassen.

Mit der Regionalbahn ins Umland

Nach dem uns inzwischen vertrauten Frühstück aus am Vorabend gekauften Konbini-Leckereien samt obligatorischem Instant-Cappuccino (bis auf zwei Ausnahmen haben wir alle unsere Unterkünfte ohne Frühstück gebucht, das macht uns unabhängiger und spart noch dazu einiges an Yen) packen wir unsere Tagesrucksäcke und brechen auf.

Diesmal fahren wir weder mit der U-Bahn noch mit dem Shinkansen, sondern mit der Regionalbahn. Doch diese ist genauso vorbildlich organisiert, wie wir es inzwischen von den anderen Verkehrsmitteln gewöhnt sind. Auch den Angaben des Routenplaners von Google-Maps kann man offenkundig vertrauen, bisher hat er uns jedenfalls immer zuverlässig ans Ziel geführt. Wir halten uns also an die vorgeschlagene Zugverbindung und sitzen bald in einem zwar deutlich weniger luxuriösen, aber nichtsdestotrotz pünklichen Zug der Kintetsu-Nara-Line Richtung Osten.

Die Zugfahrt ist abwechslungsreich, führt erst durch das Stadtgebiet von Osaka und, nach einer Tunneldurchquerung, in die ländliche Umgebung. Am Bahnhof Kintetsu-Nara steigen wir aus. Der liegt deutlich günstiger als der Hauptbahnhof von Nara, von hier aus sind es nämlich nur noch wenige Minuten Fußmarsch zum Nara-Park, unserem Ziel.

Das Füttern der Rehe unterliegt Regeln

Dort angekommen halten wir sofort nach den Rehen Ausschau. Überinformiert, wie wir sind, wissen wir, dass es nicht erlaubt ist, die Rehe mit Mitgebrachtem zu füttern. Stattdessen gibt es an jeder Ecke Stände, an denen man spezielle Futter-Cracker (aus Weizenmehl und -kleie) für ein geringes Entgelt (200 Yen – ca. 1,15 Euro – für 10 Kekse) kaufen kann. Der Preis ist auf dem gesamten Gelände derselbe, es spielt also keine Rolle, wo man kauft.

Eine weitere wichtige Regel lautet, die Tiere nicht zu füttern, ehe sie sich nicht verbeugt haben. Idealerweise macht man erst selbst eine Verbeugung, dann soll das Reh diese erwidern und sich so sein Futter „ehrlich verdienen“. Die Stadtverwaltung von Nara bittet darum, sich daran zu halten, um die Rehe nicht zu allzu großer Aufdringlichkeit zu erziehen. Es gibt bereits so schon immer wieder Verletzungen bei den Besuchern, meist sind diese jedoch selbst daran schuld. Wer zum Beispiel käme ernsthaft auf den Gedanken, die Rehe zu füttern, indem der Futtercracker mit dem eigenen Mund gehalten und angeboten wird? Eben. Behandelt man die Tiere mit Respekt, Vorsicht und gesundem Menschenverstand, so droht keine besondere Gefahr.

Marvin, der Rehflüsterer

Wir rüsten uns beim ersten Futterstand gleich mal mit zwei Portionen dieser Knusperkekse aus und verbringen anschließend eine vergnügte Stunde mit den Rehen.

Das macht echt Spaß! Nicht nur sind die Tiere besonders niedlich mit ihren Riesen-Augen und Knubbelnasen, auch die Umgebung ist wunderschön. Marvin hat ganz besonders Freude daran und holt sich – umgeben von einer inzwischen recht großen Fangemeinde aus Rehen – bald einen zweiten Keksstapel.

Allerdings ist es heute mal wieder besonders heiß, daher zieht es uns gegen Mittag in das Cafe des Nationalmuseums von Nara. Wir erholen uns im gekühlten Bereich bei ebenfalls gekühltem Orangensaft und Matcha-Kuchen, ehe wir zum zweiten Teil der Besichtigung aufbrechen, dem Tōdai-ji.

Superlative in Holz und Bronze

Dieser buddhistische Tempel befindet sich im Norden von Nara-Park, Hauptattraktion ist die Daibutsu-den-Halle, die nicht nur das größte Holzbauwerk der Welt darstellt, sondern auch noch eine 15 Meter hohe Buddha-Statue aus Bronze beherbergt. Das ist wirklich sehr groß, wie wir feststellen, als wir eine knappe Stunde später davor stehen.

Die Besichtigung des Tempelgeländes kostet Eintritt (500 Yen pro Person), ist aber auf alle Fälle lohnenswert. Auf Fotos oder Videos kann man einfach nicht erkennen, wie gewaltig das Bauwerk und die Statue tatsächlich sind. Wir sind schwer beeindruckt!

Durch Buddhas Nasenloch zur Erleuchtung

In der einen Ecke der Halle beobachten wir, wie ein Besucher gerade durch ein viereckiges Loch in einer Holzsäule kriecht. Warum zum Teufel macht er das? Google gibt uns Auskunft: Das Loch in der Säule hat angeblich die gleiche Größe wie Buddhas Nasenloch – und wer es schafft, dort hindurchzukriechen, hat ein gutes Jahr vor sich und ist gleichzeitig der Erleuchtung um einiges näher gekommen.

Ich fasse verstohlen an meinen Speckring bauchseits und beschließe, mein Glück nicht herauszufordern. Dieses Nasenloch ist eindeutig für zierliche Asiaten gebaut, nicht für etwas grobschlächtigere Langnasen wie uns.

Nach der Besichtigung des Tempelgeländes ist die Luft ein wenig raus. Die vielen Eindrücke und die Hitze machen müde, daher beschließen wir, uns langsam aber sicher in Richtung Bahnhof zu bewegen. Marvin verfüttert auf dem Weg dorthin noch seine letzten Kekse, doch obwohl die Rehe sogar direkt neben der Straße liegen, sind die allermeisten von ihnen doch eher im Zentrum des Parks zu finden.

Wäsche waschen in Japan

Der Rückweg gestaltet sich genauso einfach wie der Hinweg, knapp eineinhalb Stunden später sind wir wieder in unserem Zimmer. Da es noch nicht so spät ist, nutzen wir die Zeit und waschen unsere Wäsche. Das Hotel verfügt über einige Waschmaschinen und Trockner. Interessanterweise wird in Japan die Wäsche meist kalt gewaschen und der Waschgang dauert auch nicht sehr lang. Die Waschmittel, die man hier bekommt, sind zudem unparfümiert. Das ist Teil der Kultur der Rücksichtnahme: Penetranter Parfüm- oder Deogeruch ist genauso unerwünscht wie Schweiß- oder anderer Gestank. Idealerweise riecht man nach überhaupt nichts. Unsere Wäsche, die wir nicht viel später aus der Waschmaschine ziehen, ist sauber und geruchlos.

Ich muss zugeben, dass ich das als sehr angenehm empfinde. In Deutschland verursacht es mir oft Kopfschmerzen, wenn ich z.B. in der U-Bahn einem überparfümierten Sitznachbarn ausgeliefert bin. Hier in Japan erkennt man Touristen häufig auch an der Deo- oder Rasierwasserwolke, die sie umgibt.

Abendliche Essenssuche

Inzwischen ist es etwas kühler geworden und mit der Abkühlung kommt der Hunger. Beim Durchstöbern unserer HappyCow-App entdecken wir, dass es in nicht allzu großer Umgebung ein veganes Takoyaki-Restaurant geben soll. Takoyaki sind kleine Teigbällchen, die normalerweise mit Oktopus gefüllt sind (Tako = Krake, Yaki = gebraten) und mit Soßen serviert ein beliebtes Streetfood in Japan darstellen. Oktopus habe ich allerdings selbst in meiner vor-vegetarischen Zeit nicht gegessen. Tentakel … brrr. Außerdem sind diese Tiere hochintelligent und als Kind habe ich an einem Abend an der Küste Sardiniens mal einem im flachen Wasser liegenden Jung-Oktopus in die großen, freundlichen Augen geblickt; nachdem wir uns minutenlang neugierig gegenseitig gemustert haben, kam es für mich einfach nicht mehr infrage, so ein Wesen zu essen.

Takoyaki ohne Tako

Unweit dieses Restaurants gibt es zudem auch noch eine dazugehörige Zweigstelle, die veganes Okonomiyaki anbietet. Also haben wir gleich zwei leckere Optionen zur Auswahl, prima. Da wir Okonomiyaki schon kennen (mehr dazu auch in unserem späteren Hiroshima-Artikel), bevorzugen wir das Takoyaki. Diese Entscheidung ist auch noch aus einem anderen Grund die richtige, wie wir kurz darauf feststellen. Wir kommen nämlich direkt an dem betreffenden Okonomiyaki-Restaurant vorbei und dort steht schon eine lange Schlange von Essenswilligen vor dem Eingang.

Das Takoyaki-Lokal ist zwar kleiner, liegt aber etwas versteckter im ersten Stock eines Hauses. Hier sitzen auch schon ein paar Leute, aber wir bekommen trotzdem einen Platz und kurz darauf zwei Schüsselchen mit oktopusfreien Takoyaki und Beilagen (ebenfalls vegan) serviert. Das Zeug schmeckt total lecker! Das gesamte Lokal ist herrlich unkonventionell gestaltet, der Umgangston der einzigen Bedienung locker und fröhlich. Statt vorgefertigter Getränke erhält man einfach nur ein Glas und bedient sich an den aufgestellten Sirup- und Wasserbehältern selbst. Entsprechend günstig sind auch die Preise. Das alles trifft in vielerlei Hinsicht genau unseren Geschmack.

Angenehm satt schlendern wir zurück ins Hotelzimmer. Morgen ist etwas schlechteres Wetter angesagt, was für die geplante Besichtigungstour durch Osaka nicht schlimm ist. Im Gegenteil, etwas Abkühlung tut gut!

Überblick

Datum: Samstag, 30. September 2023
Unterkunft: Kamon Hotel Namba