Als wir erwachen, hören wir leichtes Regenprasseln durch das gekippte Fenster. Das ist schön, war es doch die letzten Tage eher zu warm, da tut etwas Abkühlung gut. Wir frühstücken gemütlich und überlegen, in welcher Reihenfolge wir die heutigen Ziele abarbeiten wollen. Es steht nicht viel auf dem Programm, ein etwas ruhigerer Tag darf auch mal sein. Lediglich Osakas Aquarium sowie – natürlich – das Otaku-Viertel Den-Den Town wollen wir besuchen.
Erstes Ziel: Aquarium
Weil dafür Eintrittskarten notwendig sind und heute Sonntag ist (was die Besucherdichte vermutlich erhöht), peilen wir zuerst das Kaiyukan-Aquarium an. Der Regen hat bereits wieder aufgehört und wir treffen die üblichen Vorbereitungen: Geldbeutel mit Suica-Card, JR-Pass, Visa-Debit-Karte und ein paar Yen kommen zusammen mit den Handys in die kleinen Tagesrucksäcke, etwas zum Snacken dazu, Masken aufgesetzt und los geht es. Anfangs hatten wir immer noch eine Flasche Wasser dabei, doch wir haben schnell gemerkt, dass wirklich an allen Ecken und Enden Getränkeautomaten stehen. Dort bekommt man für wenig Geld eine riesige Auswahl frisch gekühlter Getränke, es ist also echt nicht nötig, welche mitzunehmen.
Rolltreppen-Etikette in Japan
Um zum Aquarium zu gelangen, brauchen wir die U-Bahn. Fun Fact am Rande: Nicht nur auf den Straßen, auch auf (Roll-)Treppen und Gehwegen gilt in Japan Linksverkehr. In der Tokyoter U-Bahn zum Beispiel heißt es auf den Rolltreppen strikt: links stehen, rechts gehen.
Nicht so in Osaka. Da steht man auf Rolltreppen rechts und überholt links. Das ist angeblich ein Relikt aus dem Jahr 1970, als hier die Weltausstellung stattfand. Die Stadtverwaltung von Osaka hatte damals dazu aufgefordert, bei Rolltreppen auf den Rechtsverkehr umzusteigen (vermutlich der westlichen Touristen wegen) – und dabei ist es bis heute geblieben.
Ob die Historie so stimmt, weiß ich nicht, aber tatsächlich ist hier die Rolltreppen-Etikette andersherum als in Tokyo. Also im Grunde so, wie wir es aus München kennen. Daran, wie seltsam uns das jedoch vorkommt, erkennen wir, wie sehr wir uns schon an hier herrschende Regeln gewöhnt haben. Trotzdem schaffen wir sämtliche Rolltreppen unfall- und fettnäpfchenfrei zu bewältigen, um anschließend nach einer nicht allzu langen U-Bahn-Fahrt und nur wenigen Gehminuten das Gelände rund um das Aquarium zu betreten.
teamLab Planets 2.0
Hier geht es schon recht lebhaft zu. Wir ignorieren die übrigen Gebäude zuerst einmal und marschieren direkt zum Ticketschalter. Die lange Schlange dort erinnert uns unangenehm an unsere Erfahrungen mit teamLab Planets in Tokyo. Nun, ganz so schlimm ist es nicht, wie sich schnell herausstellt. Wir würden schon noch Tickets für heute bekommen. Allerdings mit einer Wartezeit von mindestens zweieinhalb Stunden bis zum Einlass. Marvin und ich schauen uns kurz an und entscheiden, dass wir dann doch lieber auf die Aquariums-Besichtigung verzichten. So super-scharf waren wir eh nicht drauf. Tiere in Gefangenschaft hinterlassen bei uns immer ein unangenehmes Gefühl, und seien die Käfige oder – wie in diesem Fall – Becken noch so groß.
Piratenschiffe, Pullis und Pancakes
Wir umrunden das Aquariumsgebäude und erkunden ein wenig den Hafenbereich dahinter. Dabei entdecken wir, dass sich hier die Anlegestelle für den (nicht maßstabsgetreuen) Nachbau von Christoph Kolumbus‘ Santa Maria befindet. Mit diesem Schiff werden sogenannte „pirate cruises“ durchgeführt. Wir hatten uns vor unserer Reise kurz deswegen informiert, aber die Rezensionen für diese Touristenattraktion waren wenig verlockend, also haben wir sie garnicht erst in unsere ToDo-Liste aufgenommen. So ganz ist uns der Zusammenhang zwischen Kolumbus, Piraten und Japan/Osaka auch bis heute nicht klar.
Anschließend durchstöbern wir die zahlreichen Läden im danebenliegenden Tempozan-Marketplace. Ich erstehe für mich eine Art Überzieh-Shirt mit Kapuze (ich liebe Kapuzen) und für den Teenager, der sich während unserer Abwesenheit um unsere Maus kümmert, ergattern wir ein wirklich schönes T-Shirt mit japanischen Motiven, selbstverständlich teenager-kompatibel in schwarz und XXL.
So langsam haben wir Hunger. Zwischen den Läden hier finden sich immer wieder kleine Lokale und deren Essensgerüche werden immer verlockender. Wir entscheiden uns für das Mother Moon Cafe und zwei große Portionen Pancakes, die echt lecker schmecken und satt machen. Danach haben wir genug vom Hafen und brechen auf zu unserem nächsten Ziel: Den-Den Town.
Zweites Ziel: Den-Den Town
Diese Bezeichnung kommt von „denki no machi„, was soviel wie „elektronisches Dorf“ heißt, und ist der Spitzname für das Stadtviertel Nipponbashi, das praktischerweise direkt neben Namba liegt (unserem „Heimatviertel“). Wir fahren also denselben Weg einfach wieder zurück und laufen vom Bahnhof aus lediglich nach Süden statt nach Norden.
Ähnlich wie in seinem tokoyoter Pendant Akihabara gibt es auch hier massig Läden, die (billige) Elektronik, Computerspiele, Anime-Kram etc. anbieten, vervollständigt durch Spiele-Arcaden und Maid-Cafés. Im Unterschied zu Tokyo ist hier alles jedoch etwas kleiner und weniger spektakulär (allein schon weil die Häuser erheblich niedriger sind), aber die Stimmung ist genauso locker, bunt und fröhlich. Wir bekommen sogar die eine oder andere Maid zu sehen. Allerdings ist es unerwünscht, diese direkt zu fotografieren, deswegen verzichten wir darauf. Wir haben nur eine einzige Aufnahme, bei der uns eine Maid direkt vor die Kamera gelaufen ist – was wir erst beim Sichten der Bilder zuhause gesehen haben. Da das keine Absicht war, sollte das auch kein Problem darstellen.
Wir durchstreifen das Viertel und entdecken immer wieder neue Kuriositäten in den Schaufenstern und Regalen. Aber irgendwann bin ich müde und habe keine Lust mehr. Wir sind nun seit einer Woche unterwegs und so langsam fangen die Eindrücke an, sich zu wiederholen. Ich finde nicht mehr jede Winzigkeit faszinierend – was für mich immer ein gutes Zeichen ist, bedeutet es doch, dass ich ein Land langsam kennenlerne.
Marvin ist noch munterer als ich, also beschließen wir uns aufzuteilen. Ich kehre ins Hotel zurück und gammle etwas, während er weiter durch die Läden stöbert. Als alter Animefan möchte er gerne eine Figur mit nachhause bringen. Und tatsächlich, zwei Stunden später kommt er freudestrahlend ins Zimmer und präsentiert mir seine Errungenschaft: Kandeda auf seinem ikonischen Motorrad (aus dem Film Akira). Ein wirklich schönes Erinnerungsstück!
Ein wohlschmeckender kulinarischer Frevel
Nachdem Marvin sich ebenfalls etwas ausgeruht hat, treibt uns der Hunger noch einmal ins bereits abendliche Osaka. In den letzten Tagen sind wir bereits mehrfach an einer nahegelegenen Pizzeria vorbeigelaufen, doch wer isst schon Pizza, wenn die gesamte japanische Küchenvielfalt zur Verfügung steht?
Nun: wir. Zumal wir hoffen, hier eine etwas größere Auswahl ohne Fleisch oder Fisch zu haben. Und tatsächlich ist nicht nur das Innere des Restaurants erstaunlich authentisch italienisch, es gibt auch mehrere vegetarische Pizza-Varianten. Die ohne lange Wartezeit servierten Pizzen schmecken richtig gut! Schon lustig – da fliegt man um die halbe Welt, nur um in Osaka Pizza zu essen, die italienischer schmeckt als so manche in München.
Vollgefressen hauen wir uns wieder auf unserer Betten. Morgen verlassen wir Osaka, es geht weiter nach Onomichi. Diese eher kleine Hafenstadt ist der Startpunkt des Shimanami Kaido. Aber das ist Thema des nächsten Berichtes…
Überblick
Datum: Sonntag, 01. Oktober 2023
Unterkunft: Kamon Hotel Namba