Lübeck – Durch’s Holstentor zum Marzipan

Heute geht es weiter nach Lübeck, der Heimat des wohl berühmtesten Marzipans. Wir wollen unbedingt die Nusstorte beim Niederegger probieren. Dank unserer brillianten Zeitplanung ist das ja kein Problem. Oder?

2x
geteilt

Mein Großvater mütterlicherseits hat jahrzehntelang in Lübeck als Chefkoch für eine große Konservenfirma gearbeitet. Ich habe ihn als Kind hin und wieder besucht, kann mich aber nur wenig an die Stadt erinnern. Nicht vergessen jedoch habe ich die brotlaib-großen Klumpen aus Nougat und Marzipan, die er uns immer während unserer Sommeraufenthalte in Heiligenhafen „von der Arbeit“ mitgebracht hat. Wir haben sie in dünne Scheiben geschnitten, abwechselnd aufeinandergeschichtet, das Ergebnis in kleine Quadrate zerlegt und diese „Pralinen“ natürlich ausgiebig getestet. Erst im späten Erwachsenenalter konnte ich wieder Nougat essen, ohne dass mir schlecht wurde. Die Lust auf Marzipan jedoch ist mir nie vergangen, das liebe ich durchgehend bis heute.

Eine gute Zeitplanung ist Gold wert

Lübeck ist zwar eine schöne Stadt, aber nicht so groß, dass man hier gleich einen vollen Aufenthaltstag einplanen müsste. Also haben wir das auch nicht gemacht, der heutige Nachmittag muss für die Besichtigung reichen.

Noch ein letztes, wunderschönes Frühstück auf den Dünen, danach schütteln wir den Sand aus unseren Sachen und packen alles zusammen. Um zehn Uhr vormittags sind wir aufbruchbereit – und schweißgebadet vom Schleppen unserer Ausrüstung durch den Sand. Immerhin ist es nicht mehr so heiß wie noch bei der Ankunft, das ist gut. Für die knapp 200 km nach Lübeck hat Google uns etwas über zwei Stunden Fahrzeit berechnet, vom Campingplatz bis in die Innenstadt sind es ungefähr drei Kilometer Fußweg, also etwas über eine halbe Stunde. Zusammen mit dem Lageraufschlagen und Duschen sollten wir es eigentlich problemlos noch rechtzeitig in das Cafe Niederegger und zu der berühmten Lübecker Nusstorte schaffen. Alles easy.

Die ersten 50 Kilometer düsen wir ungestört über gerade, gut ausgebaute Straßen. Doch dann, kurz vor Rostock, wird der Verkehr zunehmend dichter. Und langsamer. Als wenn diese Verzögerung nicht schon nervig genug wäre, treibt uns ein Franzose vor uns noch fast in den Wahnsinn – lässt er doch immer riesengroße Lücken zwischen sich und dem Wagen vor sich entstehen, bis wir kurz davor sind, trotz des starken Gegenverkehrs vielleicht doch zu überholen, nur um genau in diesem Augenblick dann abrupt Gas zu geben und aufzuschließen. Warum kann der nicht einfach im Schritttempo weiterfahren? Für uns ist es deutlich anstrengender, dauernd aus- und wieder einzukuppeln. Wir stellen uns nach ein paar dieser Aktionen extra so hinter ihn, dass unsere Scheinwerfer ihn eigentlich über den Rückspiegel blenden müssten, doch auch das hinterlässt keinen Eindruck. Oder vielleicht einen schlechten und verstärkt nur die Vorurteile uns Motorradfahrern gegenüber. Vorantreiben lässt er sich dadurch jedenfalls nicht. Grmpf.

Rage in Rostock

Nach über 40 Minuten im Stau, Ärger über den Franzosen und noch immer keinem sichtbaren Ende der Autoschlange reißt uns der Geduldsfaden. Wir biegen spontan rechts ab, stellen uns an den Straßenrand und lassen Günni eine neue Route berechnen. Das stellt sich als gute Idee heraus, denn trotz der kurzen Fährfahrt, die uns auf dieser Strecke erwartet (weshalb sie wohl von vielen gemieden wird), kommen wir wieder schneller voran und schaffen den Rest bis zur Stadtgrenze von Lübeck in halbwegs gutem Tempo.

Doch dann landen wir erneut in dichtem Verkehr und werden langsam etwas nervös.  Wie lange hat das Cafe geöffnet, bis 18 Uhr? Wir rechnen kurz im Kopf… Zeltplatz erreichen, einchecken, Zelt aufbauen, duschen und dann noch eine halbe Stunde Fußmarsch in die Innenstadt. Sollte klappen, wenn auch knapper, als uns recht ist. Wir überlegen kurz, ob wir das Duschen vielleicht auf den Abend verlegen sollten, aber wegen der Schlepperei durch den Sand heute morgen riechen wir schon recht – nun ja – würzig. Ungeduscht in das Cafe ist also keine zumutbare Option.

Erst um 15 Uhr tuckern wir schließlich auf den Campingplatz Lübeck. Hier erleben wir eine kurze Schrecksekunde, als die Betreiberin uns erklärt, dass die Plätze für Zelte knapp wären, weil dieses Wochenende hier wohl irgendeine Jugend-Handball-Veranstaltung stattfindet. Gleich darauf sagt sie uns aber, wo wir uns breitmachen können, warnt uns gleichzeitig vor, dass es abends eventuell etwas unruhiger werden könnte. „Junge Leute und so….“.

Das ist uns in diesem Augenblick völlig wurscht, wir unterbieten unsere bisherige Bestzeit im Lager-Errichten und brechen schließlich frischgeduscht kurz nach vier auf in Richtung Innenstadt. Das dürfte reichen … denken wir jedenfalls, bis wir die Fußstrecke durch Google-Maps errechnen lassen. Wie, verflixt nochmal, sind aus den ursprünglich geplanten 3 km plötzlich 6 km geworden? Kurz drauf entdecke ich den (meinen) Fehler: Ich hatte nur bis zum Rand der Innenstadt gerechnet, unser Ziel liegt aber mitten darin. Wir marschieren also los, quer durch den Hauptbahnhof, erreichen den Rand der Altstadt, ignorieren das Holstentor, hetzen über den Stadtgraben und die Trave, joggen halb durch die Fußgängerzone – und erreichen endlich, nur eine Stunde vor Ladenschluss, das Cafe Niederegger. Puh!

Im Marzipanparadies

Das Cafe selbst befindet sich im ersten Stock. Um es zu erreichen, muss man durch den weiträumigen Laden im Ergeschoss gehen, der alles nur Erdenkliche aus Marzipan anbietet. Hier werden wir uns später vielleicht noch eindecken, jetzt wollen wir endlich diese berühmte Torte probieren. Nun, was soll ich sagen: Sie schmeckt tatsächlich fantastisch. Die Hetzerei hat sich eindeutig gelohnt! Allerdings sind die Stücke, die wir bekommen, schon arg klein. Noch etwas schmaler, und sie würden umkippen. Allerdings ist dadurch noch Platz für je ein weiteres Tortenstück :).

Der Rest dieses Tages verläuft ruhiger. Wir kaufen ein paar Marzipan-Mitbringsel und schlendern gemütlich durch die Altstadt und schauen uns alles in Ruhe an. Wir entdecken sogar die Handball-Veranstaltung, die – zumindest in Teilen – mitten auf dem Rathausplatz stattfindet. Für das Abendessen suchen wir uns eine Filiale des „Peter Pane“ aus, scheinbar die norddeutsche Variante des bei uns bekannten „Hans im Glück“- ein Burgerladen, der eine sehr gute Auswahl auch an vegetarischen Burgern hat. Der Kellner erzählt uns gleich, dass er heute seinen ersten Tag hätte, aber bis auf ein paar kleinere Fehler (z.B. dem Verwechseln der Tischnummer bei der Rechnungsstellung) schafft er es, uns mit ausreichend Essen zu versorgen.

Auf dem Campingplatz gibt es abends dann tatsächlich etwas Lärm – allerdings nicht von den jungen Handballspielern (DIE sind ziemlich diszipliniert, offensichtlich haben sie am anderen Tag ein wichtiges Spiel und können nicht die halbe Nacht durchfeiern), sondern von einer besoffenen Zelter-Gruppe aus Holland, die laute Musik auf einem Campingplatz für ultra-cool hält, sich dabei natürlich noch lauter unterhalten muss und sich während unseres Stadtausfluges unmittelbar neben uns gestellt hat. Klar. Wohin auch sonst.

Wir sind jedoch viel zu müde, um uns aufzuregen, und irgendwann übernimmt das auch jemand anders (ich glaub sogar, einer aus der Handball-Truppe), so dass wir schließlich doch noch friedlich einschlafen und von Marzipankartoffeln in Handball-Größe träumen können…

Routenüberblick

Datum: 28. Juni 2019
Schwierigkeitsgrad: leicht; streckenweise viel Verkehr
Länge: ca. 200 km, kürzester Weg knapp 2 Stunden, Kleckerstrecke über drei Stunden (plus Stau)
Eindrücke: unspektakulär; die Fährfahrt in Rostock macht Spaß