Von München nach Marienbad – Beschauliches Böhmen

Unsere heutige Etappe führt uns in den Böhmerwald. Karlsbad kennen wohl viele (und sei es nur durch die gleichnamigen Oblaten), das etwas kleinere Marienbad hat aber den sympathischeren Campingplatz, also haben wir diesen Ort für die Übernachtung ausgewählt.

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Das erste große Ziel unserer diesjährigen Tour ist Berlin.  Die Strecke dorthin schafft man vermutlich auch an einem Fahrtag – rauf auf die Autobahn und Gas geben – doch weder das eine noch das andere ist so unser Ding, also suchen wir nach einer gemächlicheren Alternative. Ideen werden überprüft und wieder verworfen (zum Beispiel gibt es in Tschechien eine makaber-interessante Knochenkirche – leider arg abseits der Route, weshalb wir sie für eine spätere Reise im Hinterkopf behalten), Fahrzeiten verglichen und Übernachtungsmöglichkeiten ausgecheckt. Letztendlich erwählen wir Marienbad und Dresden als Zwischenziele. Marienbad wegen eines gut bewerteten Campingplatzes, der günstigen Lage und der Oblaten – und Dresden, weil dort ein Teil meiner Familie herstammt und ich sowieso mal nachsehen wollte, was sich in den letzten 25 Jahren (seit meinem letzten Besuch) dort so verändert hat.

Tag 1 – Auf nach Tschechien

Wie üblich starten wir sehr früh und mit leeren Mägen. Und wie ebenfalls üblich kriege ich unmittelbar nach dem Überfahren der Stadtgrenze Hunger. Marvin hält mein Gequengel noch knapp 30 km aus, dann bekomme ich ein ausgiebiges Frühstück an der Raststätte Fürholzen – also quasi noch in Sichtweite von München. Ich kann es einfach nicht ändern – bei mir muss sich erst das typische Reisegefühl einstellen, damit meine Aufregung verfliegt und mein Magen wieder aufnahmebereit ist.

Glücklicherweise kommt Marvin mit dieser (und auch mit ein, zwei anderen) Eigenarten von mir prima zurecht, so dass unser frühes Einkehren am Abfahrtstag schon fast rituellen Charakter hat. Das Signal, dass die lang herbeigesehnte Reise nun beginnt.

Nach dem Essen bin ich satt und entspannt. Unsere heutige Gesamtstrecke ist 275 km lang, den deutschen Teil wollen wir auf der Autobahn zurücklegen, um nicht allzu spät am Ziel anzukommen. Schließlich wollen wir noch Marienbad erkunden. Das bleibt im Übrigen auch das übergeordnete Motto der diesjährigen Tour: Nur selten haben wir bei der Planung aufregende Straßen ausgesucht, meist wählten wir bequeme und schnell zurückzulegenden Strecken, um nach Ankunft am jeweiligen Ziel noch genügend Zeit für eine Stadtbesichtigung oder den Besuch einer anderen Sehenswürdigkeit zu haben.

Aufeinanderprallende Welten

Heute geht dieses Rezept schon mal auf. Die Strecke bis zur Grenze legen wir flott zurück, das Wetter bleibt uns hold. Nur bei Regensburg tröpfelt es ein bisschen – was natürlich Anlass zu dämlichen Witzen gibt. Insbesondere angesichts der anderen Ortsnamen dieser Gegend (Rötz, Lalling… gnihihi).

Kurz vor der Grenze bei Waidhaus verlassen wir die Autobahn. Zum einen, um nicht aus Versehen auf die mautpflichtige Autobahn auf tschechischer Seite geleitet zu werden, zum anderen, um zu tanken. So richtig verstehen wir den erstaunten Blick der Frau am Tresen der kleinen Tankstelle erst, als wir kurz danach über die Grenze nach Tschechien fahren. Alles ist voller riesiger Tankstellen. Wir sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die einzigen Deppen, die nicht wussten, dass das hier ein Tank-Eldorado ist. Nun gut, JETZT wissen wir das… und falls wir mal Lust auf Glücksspiel oder einen Bordellbesuch haben, ist uns inzwischen auch klar, wo wir das alles finden. Der Kontrast zwischen dem eher beschaulichen Dörfchen auf deutscher und der Sündenmeile auf dieser Seite der Grenze könnte kaum größer sein.

Die restlichen Kilometer bis Marienbad, auf eher gerader Strecke durch hügeldurchwachsene bömische Landschaft, sind schnell gefahren, die Tankstellen- und Bordelldichte nimmt glücklicherweise exponentiell ab. Auf den letzten 500 Metern spielt Günni noch einen Trumpf aus und leitet uns – an den erstaunten Gesichtern einiger Wanderer vorbei – über einen unbefestigten Feldweg irgendwie hintenrum nach Stanowitz, zum gleichnamigen Campingplatz. Der liegt sehr idyllisch am Hang eines Hügels, mit Blick auf Marienbad. Er ist klein, aber gemütlich, liebevoll gepflegt und sehr sauber. In den Sanitären gibt es jeweils nur eine Dusche – aber angesichts der wenigen Gäste ist das völlig ausreichend. Die Rezeption ist jetzt, kurz nach Mittag, noch nicht besetzt, aber ein Schild fordert einen auf, sich doch einfach einen Platz zu suchen und zwischen 17 und 20 Uhr hier zu melden. Alles klar! Wir schlagen unser Lager auf, duschen und machen uns sofort auf den Fußmarsch nach Marienbad.

Vergangener Glanz, neu aufpoliert

Ich hatte von zuhause aus schon recherchiert, dass es ungefähr 5 km bis zur Ortsmitte sind. Anfangs geht es an einer nahezu unbefahrenen Landstraße den Hügel hinunter, recht bald erreicht man die ersten Häuser und schließlich ein großes, parkähnliches Gelände, auf dem wir auf die erste der berühmten Quellen dieser Gegend stoßen. Seit dem 17. Jahrhundert werden diese Quellen für Heilanwendungen genutzt und der etwas verfallene, aber stellenweise auch wiederhergestellte Pomp an den Gebäuden lässt den alten Reichtum erahnen. Hübsch, zumindest für so einen Tagesausflug. Einen längeren Urlaub stelle ich mir allerdings (auch in Hinblick auf das Durchschnittsalter der anderen Gäste, das bei geschätzten 90 liegt) eher zu … beschaulich vor. Aber für eine Nachmittagsbesichtigung gibt der Ort auf alle Fälle genug her.

Einen besonders guten Tipp hatten wir vorab im Internet entdeckt und testen ihn nun aus: Etwas abseits des hinteren Endes der Hauptstraße (10 Ruská – Google Maps hilft), direkt neben der Bar Smaragd, gibt es einen kleinen Laden, in dem man sich spottbillig ganz frisch zubereitete Oblaten kaufen kann. In altmodischen, kreisenden Waffeleisen werden die mit einer Nuss-Butter-Zucker-Mischung gefüllten Waffeln erhitzt und schmecken einfach unglaublich gut. So gut, dass ich mich nur mit Mühe und Not davon losreißen kann, um noch schnell ein Foto zu machen, ehe sie ganz weggefuttert sind :).

Da hier hinten die Sehenswürdigkeiten von Marienbad auch bereits so ziemlich erschöpft sind, kehren wir um und machen uns auf den Rückweg. Nur um kurz darauf von einem leckeren Zimtduft an einen Wagen im Park gelockt zu werden, der frische Strietzel verkauft. Logisch, dass wir hier auch zuschlagen – wobei ich sagen muss, dass die Strietzel, die ich von der Münchner Auerdult kenne, schon besser schmecken. Aber das Zugucken bei der Zubereitung über Gasflammen ist so meditativ, das entschädigt für die tendenziell etwas trockene Konsistenz.

Einen mittleren Lachanfall bekommen wir noch, als wir an einem Zaun ein paar Werbeplakate für ein sogenanntes „Bierkurbad“ sehen. Von unbegrenztem Bierverbrauch ist hier die Rede. Eines können wir wohl behaupten: Die typischen Konsumenten einer Bierflatrate sehen ziemlich sicher nicht so aus, wie die wunderschönen Menschen, die auf den Werbeplakaten abgebildet sind. Auf dem Rückweg entdecken wir auch die berühmte Singenden Fontäne, die letzte Aufführung haben wir jedoch gerade verpasst – und auf die nächste zu warten haben wir keine Lust.

Als wir wieder auf dem Campingplatz ankommen, hat sowohl die Rezeption als auch das dazugehörige Gasthaus geöffnet. Wir melden uns an und essen auch gleich zu Abend. Die Auswahl ist zwar nicht groß, aber sehr lecker. Insbesondere die Knoblauchbrote aus würzigem Sauerteigbrot sind die besten, die ich jemals gegessen habe. Zuhause erfahre ich von einer Freundin, dass das wohl die hier übliche Zubereitungsart ist – also unbedingt ausprobieren, falls ihr mal nach Tschechien kommt! Der Kellner (der zugleich der Betreiber des Campingplatzes ist) überreicht uns zur Überbrückung der Wartezeit eine liebevoll gestaltete Mappe mit Informationen rund um Stanowitz. Man merkt, dass die Menschen hier sehr stolz auf ihre Geschichte sind und alles versuchen, um das Dorf wieder mit Leben zu füllen. Das ist schön und wir sind froh, diesen Campingplatz ausgewählt zu haben.

Den Abend lassen wir gemütlich vor dem Zelt ausklingen, begleitet vom Blöken der Schafe auf der Nachbarswiese. Wir haben in dem Oblaten-Laden noch ein paar Packungen unterschiedlicher Geschmacksrichtungen mitgenommen und stellen schnell fest, dass die simple Zubereitungsart (mit Nüssen und Butter) die leckerste von allen ist. Bevor wir morgen Tschechien wieder verlassen, müssen wir unbedingt noch ein paar Vorräte davon kaufen.

Routenüberblick

Datum: 21. Juni 2019
Schwierigkeitsgrad: leicht – zu jeder Zeit gut ausgebaute Straßen
Länge: 277 km, ca. 3,5 h, gemächlich gefahren
Eindrücke: nicht allzu spannend, aber hübsch