Bisher klappt alles reibungslos, selbst der Linksverkehr ist nicht so schlimm wie befürchtet. Angenehm gesättigt, zufrieden und erschöpft von der langen Anreise verziehen wir uns an diesem Abend früh in das Zelt, lesen noch etwas und fallen recht bald in einen tiefen Schlaf.
Wie üblich werde ich in der Nacht von meiner Blase geweckt. Das erste Mal muss noch vor Mitternacht sein, denn als ich schlaftrunken zu den Sanitäranlagen schlurfe, ist es noch recht lebendig auf dem Platz.
Schock im Morgengrauen
Als ich jedoch das zweite Mal wach werde, ist um uns herum alles mucksmäuschenstill. Ein Blick auf mein Handy sagt mir, dass es kurz nach vier ist. Ich kuschel mich noch eine Weile in den gemütlichen Schlafsack und hoffe, wieder einschlafen zu können, doch das klappt nicht. Seufzend gebe ich auf, ziehe mich so leise wie möglich an – schließlich will ich Marvin nicht wecken – und krieche aus dem Zelt.
Halb gebückt will ich mich gerade unter dem Tarp hervorschleichen, als ich wie erstarrt stehenbleibe. Das, was ich dort sehe (bzw. was ich eben nicht sehen kann), hinterlässt in meinem Gehirn zuerst einmal ein Gefühl von Leere. Wo ist mein Motorrad? Dort, wo es gestern noch stand, liegt nur noch die plattgedrückte Getränkedose, mit der ich den Seitenständer stabilisiert habe…
Mein erster Impuls ist es umzudrehen, mich wieder hinzulegen und WIRKLICH aufzuwachen. Doch dann füllt sich das Schockvakuum in meinem Kopf langsam und mir wird klar, dass ich nicht träume. Mein Motorrad ist verschwunden!
Das ist sicherlich nur ein Scherz!
Fassungslos rufe ich zum Zelt: „Marvin, mein Motorrad ist weg!“ Das reißt ihn schlagartig aus dem Schlaf, nur Sekunden später steht er schon neben mir und gemeinsam beginnen wir, den Campingplatz zu durchsuchen. Zuerst denke ich ja noch an einen bösen Schabernack. Es ist die Nacht von Samstag auf Sonntag, betrunkene Jugendliche und so … doch dann entdecke ich am Rande eines Wäldchens meinen Tankrucksack, geöffnet und die Befestigungsriemen einfach durchgeschnitten. Jetzt wird mir endgültig klar, dass es sich hier um etwas Ernstes handelt.
Ich laufe zu Marvin, der auf der anderen Seite des Platzes gesucht hat, und ihm fällt ein, dass an der Tür der Rezeption eine Telefonnummer für den Notfall steht. Nun, um einen Notfall handelt es sich hier eindeutig, also schnappen wir mein Handy und rufen an.
Nicht lange danach erscheinen zwei Polizisten, etwas später gesellt sich auch noch Paul zu uns, das „Mädchen für alles“ des Campingplatzes und gleichzeitig der Mensch, den wir offensichtlich mit unserem Notfallanruf kurz zuvor aus dem Schlaf gerissen haben.
Gemeinsam wird der Platz noch einmal durchsucht, doch bis auf einige Reifenspuren im Gras und ein paar weitere, ebenfalls abgerissene Teile, die darauf schließen lassen, dass wohl auch noch ein Fahrrad gestohlen wurde, finden wir nichts mehr.
Einer der Polizisten nimmt unsere Aussage auf, während der andere die Aufnahmen der Sicherheitskameras des Platzes durchsieht. Unglücklicherweise (ist ja irgendwie klar …) ist ein Teil der Kameras ausgefallen, so dass nichts Hilfreiches auf den Videoaufnahmen zu sehen ist. Doch selbst wenn, sagt uns die Polizei, so hätte das auch nichts gebracht. Wie es scheint ist nämlich Motorraddiebstahl ein riesengroßes Problem in den größeren Städten Schottlands, und die Täter kommen entweder zu Fuß (und sind vermummt), oder aber mit einem Transporter, bei dem das Kennzeichen unkenntlich gemacht ist.
Doch wir sind nicht allein …
Im Umkreis von zwei Meilen seien noch zwei weitere Motorräder gestohlen worden in dieser Nacht, erklärt uns dann einer der Polizisten. Wir wären die letzten, die angerufen haben (zu diesem Zeitpunkt – wer weiß, wie viele sich danach noch gemeldet haben mögen).
Absurderweise tröstet mich das ein bisschen. Ich komme mir plötzlich nicht mehr ganz so allein vor in meinem Elend. Trotzdem geht es mir sehr schlecht und ich bin dankbar, dass Marvin den Rest mit der Polizei regelt. Ich kämpfe ständig mit den Tränen und bemühe mich, das alles nicht persönlich zu nehmen. Doch offensichtlich will das Schicksal nicht, dass wir dieses Jahr in den Norden Schottlands kommen. Erst die Sache mit dem Brustkrebs, und nun das…
Als alle Formalitäten erledigt sind, schlurfen wir zurück zum Zelt. Die Polizei rät uns zum Abschied noch, Marvins Motorrad für die nächste Nacht zusätzlich zu sichern – schließlich haben die Täter es in dieser Nacht gesehen, es ist ein schönes Bike und womöglich kommen sie wieder. Das Lenkradschloss alleine reicht offensichtlich nicht, wie man bei meinem Motorrad gesehen hat. Paul verspricht, dass er für uns nachher eine Sicherheitskette organisieren wird.
Als wir schließlich wieder vor unserem Zelt sitzen, kriecht schon langsam die Sonne über den Rand des Horizonts. An Schlaf ist sowieso nicht mehr zu denken, dafür sind wir beide noch viel zu geschockt, und ein Blick gen Himmel zeigt, dass es ein schöner Tag zu werden verspricht – zumindest wettertechnisch. Was also sollen wir nun tun, wie soll es weitergehen?
Das ist ja furchtbar – was für ein Alptraum 🙁
Oh ja, das war es … aber es geht (mit Verspätung) noch halbwegs gut aus, wenn auch die Reise natürlich versaut war.
Uns wurde im Mai 2017 direkt in der Innenstadt in Edinburgh auch das Motorrad geklaut. Wir waren nur kurz zum Essen weg. Meine geleibte 20 Jahre junge AT habe ich seit dem nicht mehr gesehen. Diese Ideoten wissen gar nicht wie sehr sie dem Ansehen Schottlands schaden.
Ach Mensch … das tut mir echt leid! Du bist jetzt schon der Dritte, von dem wir innerhalb relativ kurzer Zeit so eine Horror-Geschichte zu hören bekommen (neben unseren eigenen Erlebnissen). Allerdings bist du der erste, bei dem das Motorrad nicht wieder aufgetaucht ist. Ich denke, das ist noch doppelt so schlimm! Ich habe mein liebgewonnenes Möped wenigstens wieder zurückbekommen – was ein gewisser Trost war. Du hast unser vollstes Mitgefühl!
Mir ist es dieses Jahr genauso ergangen daher kann ich deinen Schock nur zu gut nachvollziehen.
Brauchte einen neuen Kettensatz und bin nur deshalb in Edinburgh gewesen.
Über Nacht wurde mir vorm Hotel meine Africa Twin geklaut.
Ich habe sie nach acht Wochen zwar zurückbekommen allerdings mit einem Totalschaden. Und zwar wirklich total. Als wäre ein LKW drüber gerauscht.
Der Norden den ich vorher besucht habe war herrlich… aber von Edinburgh habe ich auf absehbare Zeit die Sc“*#ze voll ..
Das ist echt heftig. Dein armes Motorrad 🙁 Ich habe inzwischen schon so oft solche oder ähnlich schlimme Geschichten gehört, dass meiner Meinung nach längst eine Reisewarnung für Motorradfahrer in Bezug auf Edinburgh (und wohl auch Glaskow) ausgesprochen werden sollte. Es sind ja nun wirklich keine Ausnahmen oder exotische Einzelfälle mehr, sondern tatsächlich eine Art Sport der „den Kick suchenden“ Jugend in schottischen Großstädten. Zum Leidwesen von uns – und dem Ansehen dieser Städte. Mich bringen jedenfalls keine zehn Pferde mehr mit meinem Motorrad dorthin (und anders reise ich nicht gerne). Marvin und ich planen schon länger, unsere damals im Grunde ja nie richtig begonnene Schottlandreise nachzuholen (wegen des so schönen Nordens … seufz) – aber nur unter weiträumiger Umfahrung von Edinburgh!
Hallo Anja, leider finden sich auch in Newcastle Motorraddiebe; wir waren in diesem Jahr auch in Schottland mit unseren Gespannen und die letzten drei Tage in Newcastle. Dort ist mir dann am ersten Abend mein 32 Jahre altes Gespann gestohlen worden. Es ist wieder aufgetaucht und schwer beschädigt nach Hause transportiert worden. Ich bin immernoch sehr traurig und sauer. Dabei waren wir schon häufiger in England, ich bin auch schon alleine mit dem Gespann im wunderschönen Irland unterwegs gewesen, dort soll es in den Städten auch Motorraddiebe geben. Ich wünsche euch tolle Motorradurlaube ohne blöde Pappnasen. liebe Grüße von Monika
Huhu Monika, sorry, dass ich erst jetzt reagiere – aber wir waren auf einem Kurzurlaub in den Alpen unterwegs (mal probeweise mit PKW, Zelt und Fahrrädern … ist auch sehr schön, aber Motorradurlaube sind trotzdem schöner).
Mensch, dass mit deinem Gespann ist ja echt traurig zu hören. Ich kann nachvollziehen, wie es dir dabei geht. Sicher, man hat sein Bike wiederbekommen, aber der angerichtete Schaden ist ja nicht nur rein materiell. Da kommen noch so viele andere Dinge hinzu … der versaute Urlaub, die Bauchschmerzen und der zeitliche Aufwand, bis alles irgendwie geregelt ist – und natürlich das zerstörte Vertrauen.
Ich möchte eigentlich nicht so ein ängstlicher Mensch sein, der immer alles hinter dutzenden von Schlössern und Riegeln versperrt, ehe er nur aufs Klo geht (wenn ich das wäre, könnte ich nicht mehr zelten, sondern sollte lieber im gepanzerten Wohnmobil Urlaub machen^^). Aber seit dem Motorraddiebstahl fahren wir nicht mehr ohne dicke Sicherheitskette weg und ich bin um 500 % vorsichtiger geworden (lasse nichts Wichtiges mehr im Zelt liegen, auch nicht versteckt, sondern trage es immer am Körper, sperre grundsätzlich die Koffer ab, usw.). Das sind alles sinnvolle Maßnahmen, klar – aber es ist auch sehr schade, dass es scheinbar notwendig ist.
Sag mal, warst du eigentlich im August 2016 auch in Schottland? Wir haben dort ein Paar mit zwei alten Gespannen getroffen (deren Freunde einen Unfall auf einem Kreisverkehr hatten). Da es ja nicht soo viele Gespann-Fahrerinnen gibt – warst du das vielleicht? Wäre ja lustig 😉
26.8.22 Ediburgh. Um 11.30 pm ca. wurde mein Mopes geklaut. Trotz Bremsscheibenschloss. Mit Akkiflex durchgeschnitten. Einen Passant, der auf die Diebe aufmerksam wurde, haben sie mit einem Messer angegriffen. Nagut, Heimflug am übernächsten Tag. Bin neugierig, wann die Versicherung wie viel leistet.
Na super, ganz toll. Und offensichtlich wurde es noch nicht mal wiedergefunden. Irgendwie hatte ich gehofft, dass es inzwischen vielleicht besser geworden ist mit den Diebstählen – aber scheinbar ist das Gegenteil der Fall, sie gehen immer professioneller und aggressiver vor.