Odda bis Bergen – Szenische Route oder Klippenfahrt?

Was eigentlich ein inspirierender Ausflug an den Hardangerfjord werden soll, wird eine Fahrt durch Regen und Nebel direkt am Abgrund. Hier unsere hart erkämpften Erfahrungen.

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Nach einer durchaus erholsamen Übernachtung am schön gelegenen Campingplatz in Odda soll es nun weiter Richtung Norden, über den Hardangerfjord und Jondal, zum Endziel Espeland (bei Bergen) gehen. Trotz unserer allgemeinen Frühaufstehertendenzen sind wir beileibe nicht die ersten, die an diesem Tag wach sind. Kein Wunder, schließlich besteht gefühlt rund die Hälfte des Camps aus Wanderlustigen, die sich schon vor 7 Uhr zur berühmten Trollzunge aufmachen – ein Ausflug, der gerne mal 11 Stunden in Anspruch nimmt – und dabei für eine heitere Aufbruchsstimmung sorgen.

Dieser schließen wir uns gerne an: Hinauf aufs Bike und ab geht die Post über die RV550. Zunächst raus aus Odda Richtung Norden, an die Westküste des südlichen Hardangerfjordzipfels, einer kurvigen Panoramastraße direkt am Wasser (man denke an die Küstenstraße des Gardasees, nur ohne die üppige Hitze). Theoretisch hätte man hier bei Eitrheim auch die Option, durch einen 11km langen Tunnel direkt durch den Berg zu fahren und die Strecke nach Jondal gehörig abzukürzen, was uns aber 1. zu trübsinnig und 2. wie Mogelei vorkommt, daher entscheiden wir uns für die „szenische“ Route. Eine Entscheidung, auf die wir schon bald mit einem lachenden, aber auch mit einem weinenden, nassen und erschöpften Auge zurückblicken.

Ab Utne durch die Hardangerhölle

Denn ab der nördlichen Spitze des südlichen Hardangerfjords finden wir vor allem eines: Regen. Was die Wolken schon den ganzen Morgen angedroht haben, wird für fast den Rest des Tages  traurige Wirklichkeit. Nichtsdestotrotz kämpfen wir uns durch und erhoffen uns von der als Nasjonale Turistveger (und somit als besonders schön) ausgezeichneten Landschaftsroute ein wenig Trost. Aber auch hier haben wir die Reisegötter wohl irgendwie verstimmt: Die Weststraße ab Utne bis Jondal mag bei schönen Wetter angenehm fordernd sein, bei Regen und Nebel ist sie aber geradezu halsbrecherisch. Durchwegs enge, brüchige Straßen, unablässige Höhenunterschiede und unerwartete Klippen bis runter ins Wasser – vorzugsweise hinter engen, brüchigen und steilen Kurven. Auf dem wortwörtlichen Höhepunkt geht es dann noch durch den Wald hoch auf einen glitschigen Berg, wo wir vor Nebel schließlich einander kaum noch sehen können. So haben wir uns unsere entspannte Tagesetappe nicht vorgestellt!

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Hinweis

Typischerweise zeigt das nette Streetview-Panorama oben die Küstenstraße in idyllischem Sonnenlicht. Doch der Schein trügt, vor allem bei Regen. Bester Beweis dafür ist wohl, dass wir nicht die Nerven hatten, anzuhalten und ein paar eigene Fotos zu machen.

Nachdem wir in der höllischen Nebeldimension aber wohl genug Buße für unsere Sünden getan haben, wird die Straße endlich ein wenig breiter und wir finden uns schließlich in Jondal wieder. Hier geht es dann (schon weniger regnerisch) mit der Fähre nach Tørvikbygd weiter, wo wir wiederum den Weg nach Norden einschlagen und nach einiger Anstrengung bei dem Highlight des heutigen Trips ankommen: dem Wasserfall Steinsdalsfossen.

Kurze Verschnaufspause in Steinsdalsfossen

Endlich ist uns das Wetter einmal nützlich: Der ohnehin schon mächtige Wasserstrom, der über 50 Meter in die Tiefe kracht, wird durch den vielen Regen im Laufe des Tages noch einmal verstärkt und zeigt sich daher von seiner bestmöglichen Seite. Umso beeindruckender, wenn man schließlich zu Fuß über einen kleinen Weg hoch und tatsächlich hinter den Wasserfall geht, wo man sich hautnah an den Fluten befindet. Ein unvergessliches Erlebnis! Den prototypischen Schatz hinter dem Wasserfall finden wir aber leider nicht.

Am Fuß der Klippe gibt es dann praktischerweise noch ein Café mit Souvenirshop, in dem wir uns mit Waffeln und einer heißen Schokolade für den restlichen Weg stärken (der dann aber gar nicht mehr so anstrengend wird).

Hohe Tannen weisen die Berge

Auf der weiteren Strecke nach Westen fahren wir auf gut ausgebauten, spärlich befahrenen und gottseidank trockeneren Straßen durch landschaftlich sehr ansprechende Täler, Tunnel und Gebirgsketten, die einen ganz eigenen Charme haben und die durch dicht stehende Bäume, Seen und schneebedeckte Gipfel ein wenig an Alaska erinnern. Für mich die mit Abstand die schönste und erholsamste Streckenetappe des Tages.

Nachdem es von den hochgelegenen Gebieten wieder näher an den Meeresspiegel hinabgeht, führt uns die Straße weiter durch einige Täler, in denen es zu unserer Freude auch deutlich wärmer, ja sogar teilweise richtig sonnig wird. Eine Weile später kommen wir schließlich am frühen Nachmittag bei unserem heutigen Campingplatz Lone Camping in Espeland an und können uns – nach einer Einkaufsrunde im nahegelegenen Supermarkt – ausruhen und auf die morgige Besichtigung von Bergen freuen.

Routenüberblick

Datum: 29. Juni 2015
Schwierigkeitsgrad: mitunter kniffelig – besonders bei schlechtem Wetter
Dauer: 157 km, 3h 22min
Eindrücke: Bei Sonnenschein vermutlich schön, sonst anstrengend. In jedem Fall abwechslungsreich.