Der heutige Morgen begrüßt uns mit Wolken, aber ohne Regen. Trotz (oder wegen?) unserer ständigen misstrauischen Blicke nach oben wird es auch den ganzen Tag dabei bleiben: mal eine dickere, mal eine dünnere Wolkenschicht, aber zum Glück trocken. Leider aber auch recht kühl. Wo ist die versprochene Hitzewelle?
Nun, wir haben keine Zeit, ihre Ankunft abzuwarten, packen unsere klammen Sachen und machen uns nach einem wärmenden Frühstück (ein Hoch auf den Instant-Kaffee im Thermobecher 🙂 ) auf den Weg. Die heutige Route soll uns über ein, zwei Bergpässe sowie ein, zwei Fjorde bis nach Odda am Hardangerfjord bringen.
Hügel, Fjorde – und Tankstellenessen
Heute bleiben wir auf der Straße Nr. 13 und bereits wenige Kilometer hinter Sandnes, bei Høle, überqueren wir das erste Mal einen Fjord mit der Fähre. Ehrfürchtig stehen wir am Bug (warum wir ganz vorne parken können, lest ihr hier), blicken über das Wasser und finden, dass das ein ganz besonderer Moment (und Anblick) ist.
Was Norwegen so aufregend macht, ist die unglaubliche Vielfalt und der schnelle Wechsel der unterschiedlichsten Szenerien. Gerade heute erleben wir besonders viele davon: Führt der Weg bis zu dieser ersten Fähre noch über sanfte Hügel, die einen ein bisschen an das Voralpenland erinnern, so schlängelt sich die Straße auf der anderen Seite direkt am grandiosen Lysefjord entlang (einer der schönsten Fjorde, wie wir finden), dann wiederum gelangt man ans offene Meer und fühlt sich – von den Schären einmal abgesehen – fast ein bisschen wie an der Küste Italiens. Die Sonne, die sich an diesem Fahrabschnitt häufiger mal blicken lässt und zunehmend milde Wärme bringt, verstärkt diesen Eindruck noch. Ich atme tief durch und genieße das Gefühl, im Urlaub zu sein.
Gegen Mittag – zwischen Jørpeland und Tau – machen wir eine kurze Rast an einer Tankstelle und stellen fest, dass man hier nicht nur den Tank, sondern auch den Magen füllen kann.
Essen an Tankstellen
Für verhältnismäßig wenig Geld (um die 40 – 50 NOK, ca. 5 – 6 Euro) bekommt man an größeren Tankstellen eine Auswahl von heißen Sandwiches oder Hotdogs mit allen möglichen Toppings, die als Mittagssnack ideal sind. Fortan kehren wir häufiger mal an einer Tankstelle ein, wenn uns der schnelle Hunger plagt.
Es geht in die Höh‘
Zwischen Tau und Hjelmeland, wo die zweite Fjordüberquerung auf uns wartet, bleiben wir nahezu auf Meeresniveau, doch danach – ungefähr ab Sand – geht es zunehmend in die Höhe. Die Landschaft erinnert immer stärker an die Alpen, auf einigen Berggipfeln in der Ferne blitzen Schneefelder und es wird wieder merklich kälter. Die Straße ist von guter Qualität und abwechslungsreich, der Verkehr mäßig. Auch hier gibt es eine deutlich schnellere Route für diejenigen, die nur von A nach B kommen wollen. Nur die Tunnel beginnen zu nerven. Gerade an den schönsten Streckenabschnitten, insbesondere entlang der vielen Seen, reiht sich ein dunkles Loch ans nächste. Und ich meine „dunkles Loch“, denn viele der Tunnel sind nicht beleuchtet, weshalb ich sehr dankbar darüber bin, heute keine Sonnenbrille aufzuhaben. Auch so habe ich manchmal für Sekundenbruchteile das Gefühl, in eine schwarze Wand gefahren zu sein, ehe sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt haben. Das läßt uns natürlich entsprechend langsam fahren – zumal mir plötzlich die Erzählungen meiner Eltern wieder in den Sinn kommen (diese waren vor Jahrzehnten schon einmal in dieser Gegend hier), in denen von Ziegen und Schafen in Tunneleingängen die Rede war …
Nun, die Norweger werden die teuren Tunnel nicht ohne Grund gebaut haben, sage ich mir. Eine andere Straßenführung ist wohl schlicht nicht möglich. Trotzdem tröstet mich das nicht darüber hinweg, dass ich auf den kurzen Streckenabschnitten dazwischen leider nur wenig Landschaft zu sehen bekomme. Immerhin auch keine Ziegen und Schafe, was mich wiederum ein wenig beruhigt.
Eine 800-jährige Stabkirche und ein Zwillingswasserfall
Wir machen einen kleinen Abstecher nach Røldal und besuchen die 800 Jahre alte Stabkirche. Unbedingt empfehlenswert! Der Eintritt ist zwar nicht gerade billig (40 NOK pro Person), doch die Atmosphäre in diesem uralten Holzbau ist schon bemerkenswert. Die hochalpin und etwas einsam wirkende Umgebung trägt darüber hinaus dazu bei, dass man sich um Jahrhunderte in der Zeit zurückversetzt vorkommt.
Allerdings macht sich bei mir schon die Erschöpfung bemerkbar, so dass ich nicht unglücklich darüber bin, als sich nun die Straße Nr. 13 für ein paar Kilometer mit der Schnellstraße E 134 vereinigt. Zusammen mit vielen anderen Fahrzeugen fahren wir flott am Røldaler Skigebiet vorbei, wo, wie wir später erfahren, noch bis Ende Mai Betrieb herrschte – erstaunlich lang. Dann düsen wir (wie soll es anders sein) in einen sehr langen, aber wenigstens gut beleuchteten Tunnel und können es kaum glauben, als am anderen Ende in den kleinen Seen neben der Straße noch Eisschollen schwimmen! Ehe wir das richtig realisieren können, geht es schon wieder in den nächsten Tunnel (seufz), der uns schnell nach unten und zurück in etwas wärmere Lagen führt.
Bald biegt die Schnellstraße zusammen mit einem Großteil der Fahrzeuge nach Westen ab, wir bleiben auf der Nr. 13 Richtung Norden und erreichen nach wenigen Minuten das letzte der heute auf der Strecke liegenden Naturwunder: den Zwillingswasserfall Låtefossen. Unübersehbar – auch weil die Umgebung hier komplett nass ist – liegt er rechts direkt neben der Straße. Etwas übersättigt von den unzähligen Eindrücken machen wir nur kurz Halt, knipsen ein wenig, und erreichen schließlich eine Viertelstunde später unseren für heute auserkorenen Rastplatz, den Campingplatz bei Odda. Auch dieser liegt – kaum überraschend 🙂 – grandios: direkt am Ufer des Sandvevatnet, im Osten der Rand der Hardangervidda, im Westen der Gletscher Folgevonna.
Doch so recht kann ich das heute nicht mehr würdigen, dafür bin ich zu müde. Ich wünsche mir nur noch eine heiße Dusche, ein sättigendes Abendessen und Ausruhen auf meiner gemütlichen Isomatte – und genauso kommt es auch :-).
Routenüberblick
Datum: 28. Juni 2015
Schwierigkeitsgrad: einfach, aber in der zweiten Hälfte sehr viele Tunnel
Dauer: 256 km, 5h 20min, 2 Fähren – man braucht lange, aber die (erzwungenen) Pausen lassen es nie zu anstrengend werden
Eindrücke: atemberaubend vielseitig, fast mehr, als man verarbeiten kann