10 hilfreiche Kultur-Tipps für eure Norwegen-Reise

Trotz aller Globalisierung ist Norwegen nicht immer wie Deutschland - gerade was Mensch & Kultur betrifft. Wir verraten unsere Erfahrungen aus dem hohen Norden!

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Für unsere Skandinavien-Reise haben wir uns natürlich so gut es geht mit Recherche vorbereitet, durch Reiseführer, dem Internet oder mit dem ein oder anderen Tipp von Freunden (und auch Eltern), die schon einmal da waren. Die Essenz von allem war dabei schnell klar: Die Menschen in Norwegen und Schweden sind denen aus Deutschland im Grunde nicht unähnlich. Sicher, die Preiskultur schießt gerne mal durch die Decke und auch die Sprache hat (mit Ausnahme einiger lustig übernommener Worte wie „Besserwisser“ oder „Katzenjammer“) mit dem Deutschen seit mindestens 2000 Jahren nichts mehr gemein. Trotzdem würden wir in diesen schönen und freundlichen Ländern zurechtkommen, hieß es.

Um es schon einmal vorwegzunehmen: Ja, natürlich sind wir das. Wer sich nicht wie die Axt im Fjorde benimmt, der wird im Norden freundlich empfangen werden. Dennoch sind uns ein paar Kulturunterschiede und Verhaltenstendenzen aufgefallen, die wir so von Deutschland nicht gewöhnt sind. In den folgenden zehn Tipps schildern wir einige dieser Erfahrungen.

1. Alle sprechen Englisch

Nein, ernsthaft: jeder. Von der Campingplatzrezeption über die Restaurantbedienung bis zum beliebigen Gesprächspartner auf der Straße beherrschte jeder Norweger, mit dem wir uns unterhalten haben, die englische Sprache absolut flüssig.

Und nicht nur das: In Sachen Niveau findet man für gewöhnlich kein durchschnittliches Zweitsprachenenglisch, sondern eines, das dem der echten Engländer, Iren, Schotten und Amerikaner meines Anglistik-Studiums ebenbürtig ist. Hier scheint nicht nur die Wortwahl muttersprachlich, sondern sogar die Betonung! So etwas hab ich wirklich noch nie erlebt – was in manchen Situationen für reichlich innere Verwirrung gesorgt hat: „Ist das jetzt ein Norweger oder ein Brite?“ fragt man sich hier oben tatsächlich nicht selten.

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Interessante Trivia

Kaum zu glauben, ist aber so: In Norwegen spricht 90% der Bevölkerung Englisch, in Kanada dafür nur 86%.

2. Norweger sind wenig förmlich

Im Gespräch verzichten viele Norweger vorneweg auf die Höflichkeitsform, also das „Siezen“, auch im Umgang mit Fremden (wobei das englische „you“ einem diese Feinheit der skandinavischen Etikette durch seine Ambivalenz praktischerweise abnimmt). Durchwegs wird man dabei auch mit einem freundlichen „Hei!“ begrüßt, das den lockeren Ton von Gesprächen ohne Umschweife einleitet. Ein lustiges Sprichwort besagt in diesem Zusammenhang auch, dass in Norwegen jeder außer dem König selbst mit dem Vornamen angesprochen wird.

Ein enormer Anteil dieser „bescheidenen Art“ wird heutzutage dem sogenannten Janteloven zugesprochen, einer Art Verhaltenskodex, der auf den skandinavischen Roman „Ein Flüchtling kreuzt seine Spur“ aus dem 30er Jahren zurückgeht und sich bis heute in der Kultur verwurzelt hat. So sollen folgende 10 Regeln für die gängige Bescheidenheit, Zurückhaltung und Selbstreflexion der norwegischen Kultur verantwortlich sein:

  1. Du sollst nicht glauben, dass du etwas Besonderes bist.
  2. Du sollst nicht glauben, dass du uns ebenbürtig bist.
  3. Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir.
  4. Du sollst dir nicht einbilden, dass du besser bist als wir.
  5. Du sollst nicht glauben, dass du mehr weißt als wir.
  6. Du sollst nicht glauben, dass du mehr wert bist als wir.
  7. Du sollst nicht glauben, dass du zu etwas taugst.
  8. Du sollst nicht über uns lachen.
  9. Du sollst nicht glauben, dass sich irgendjemand um dich kümmert.
  10. Du sollst nicht glauben, dass du uns etwas beibringen kannst.

Aus fremder Sicht mag das mehr nach einer Art dystopischer Anti-Selbstbewusstseins-Propaganda klingen als wie ein Ratgeber zur Nettigkeit, andererseits scheint es für Norwegen im Alltag ganz gut zu funktionieren.

3. Norweger bleiben für sich

Stereotypisch wird oft behauptet, dass Norweger so kalt wie das Land selbst sein sollen, zurückgezogen, schüchtern, vielleicht sogar griesgrämig. In Wirklichkeit können wir nichts davon bestätigen – nicht einmal, dass das Land kalt ist. Unser Kontakt mit Norwegern war stets von freundlicher Offenheit geprägt, viele lächelnde Gesichter, die uns hilfsbereit auf unserer Reise entgegengekommen sind – teilweise sogar als spontane Dolmetscher.

Beachten sollte man allerdings eine gewisse kulturelle Distanzzone: Norweger kommen – durch ihr weitläufiges Land, verglichen mit der relativ niedrigen Einwohnerzahl (5 Millionen) – selten in die Verlegenheit enger Situationen. Das färbt auch auf den sozialen Umgang ab: So fühlt man sich bei Gesprächen mit geringem Abstand zueinander schneller bedrängt als anderswo (speziell verglichen mit südlichen Ländern). Wer also auf Nummer sicher gehen will, dass sich sein Gegenüber komfortabel fühlt, lässt am besten ein paar Zentimeter mehr Platz – wobei wir Deutschen hier ab Werk schon ziemlich kompatibel sind.

4. Norweger sind progressiv

Norwegen zählt zusammen mit Schweden zu den politisch wie technisch fortschrittlichsten Nationen der Welt. So finden sich die Skandinavier beispielsweise regelmäßig in den Top 5 der Länder mit dem besten Internetausbau wieder, auch setzen sie sich seit vielen Jahren stark für berufliche wie soziale Gleichberechtigung ein – bspw. durch eine 40%ige Frauenquote in Aufsichtsräten oder einer Wehrpflicht für Frauen. Dementsprechend trifft man in Norwegen auch vergleichweise viele linksorientierte Menschen, die soziale Werte und Toleranz begrüßen und nur in Ausnahmen auf Traditionelles setzen (Öl).

Ähnlich verhält es sich mit der Religion. Zwar gehören offiziell 79% der Bevölkerung der christlichen Kirche an, ein sonderlich brisantes Thema ist der Glauben im Alltag aber nicht. Gerüchteweise sollen die Kirchen sonntags daher auch eher mit Staub als mit Menschen gefüllt sein – natürlich mit Ausnahme der fantastisch imposanten Stabkirchen, die überall im Land verteilt sind. Ob das womöglich an Trollen liegt, die der Sage nach Christenblut riechen können, möchten wir hier aber nicht mutmaßen 😉

5. Das Jedermannsrecht als Kulturgut

Wer zum Urlaub nach Norwegen fährt, bringt typischerweise sein Zelt zum Campen mit. Doch neben den ca. 800 registrierten Campingplätzen im Land kann man dank des sogenannten Jedermannsrechtes auf eigene Verantwortung auch frei in der Wildnis übernachten.

Wie der Name schon andeutet, soll das Gesetz die Nutzung des Landes für alle Bewohner und auch Touristen unkompliziert verfügbar machen, indem es gängige Regeln zu Naturzonen und teilweise sogar Privatgrundstücken aufhebt – allerdings nicht unbegrenzt. Im Folgenden daher ein paar Eckpunkte, die man unbedingt im Hinterkopf behalten sollte:

  • Freie Übernachtungen sind generell für ein bis zwei Nächte erlaubt, in abgeschiedenen Gebieten auch länger.
  • In der Nähe von Wohnhäusern muss stets die Erlaubnis des Besitzers eingeholt werden. Übernachtungen direkt neben dem Haus (in der sogenannten Hausfriedenszone) sind tabu.
  • Den Lagerplatz stets so zurücklassen, wie man ihn vorgefunden hat! Es darf weder Schaden an der Landschaft (bzw. Besitz) verursacht werden, noch ist das Zurücklassen oder Vergraben von Abfall erlaubt.
  • Das Pflücken und Sammeln von Wildfrüchten und sonstigem freiem Gemüse ist für den eigenen Gebrauch erlaubt.
  • Strände und Wasserflächen dürfen ebenfalls frei verwendet werden, in Salzwasser für gewöhnlich sogar mit einem Motorboot.
  • Angeln ist in Salzwassergebieten (dazu gehören auch die Fjorde!) ohne Genehmigung gestattet. In Süßwasser benötigt man einen Angelschein.
  • Freie Lagerfeuer sind in Waldnähe vom 15. April bis zum 15. September grundsätzlich verboten. Ebenso auf blankem Fels, da dieser bersten könnte. Ansonsten spricht mit etwas Vorsicht nichts dagegen.

6. Norweger lieben ihre Natur

Wenn man eines in Norwegen findet, dann unzählige Möglichkeiten zum Hiken, Paddeln und Ski-Fahren. Norweger wohnen in einer der schönsten Landschaften der Welt – und das wissen sie auch. Wer einen simplen Gesprächsöffner sucht, kann hier mit einem Kompliment meist nichts falsch machen. Dementsprechend lohnt es sich beim Durchfahren der Fjorde auch immer, die Augen nach Naturdenkmälern, Touristenwegen oder auch der ein oder anderen Wanderroute offen zu halten (wobei wir abseits besonderer Stellen Haltemöglichkeiten zum Fotografieren leider etwas vermisst haben).

Entgegen einer häufigen Annahme ist auch das Wetter im Norden meist mild und das Klima dem in Deutschland nicht unähnlich (solange man sich nicht in Norwegens Regenhauptstadt Bergen befindet). Zu danken ist hier dem Golfstrom, der stetig warmes Wasser über den Atlantik an die Küsten spült und so für ungewöhnlich warme Temperaturen in den hohen Breitengraden sorgt. Perfekte Bedingungen also, um die ganze Natur auch zu genießen!

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Aurora Borealis

Wer das Naturspektakel der Nordlichter erleben möchte, sollte vorher gut planen: Leider sieht man die schönen Lichter im Sommer aufgrund der langen Tage nur selten und im Süden des Landes quasi gar nicht. Idealerweise sollte man seinen Urlaub also im Winter und nördlicher als Trondheim planen, um seine Chancen zu maximieren.

7. Norweger sind entspannte Fahrer

Der Ruf eines Abenteuerlandes rührt im Fall von Norwegen nicht zuletzt von der relativen Bevölkerungsarmut verglichen mit der Fläche. Dementsprechend findet man sich auf den Straßen in der Regel für viele Kilometer alleine wieder und wird auch als gemütlicher Langsamfahrer (wie wir) nicht ständig von hinten bedrängt. Fantastisch!

Leider fahren unserer Erfahrung nach auch im entspannten Norden alle ein wenig schneller als eigentlich erlaubt ist. Sprich, wer sich rigoros in die Geschwindigkeitsbegrenzungen hält – was man aufgrund der sündhaft teuren Bußgelder auch sollte – wird wohl auch hier früher oder später trotzdem eine Schlange verursachen. Grundsätzlich ist das aber kein Problem. Kommt es soweit, halten die meisten Autofahrer einen großzügigen Abstand (gilt die kulturelle Distanzzone auch hier?), so dass man nicht unnötig gestresst wird. Hupen aus Ungeduld gilt in Norwegen wenig überraschend auch als absoluter Faux-Pas.

8. Norweger lieben Waffeln

„Was essen die Norweger eigentlich?“ haben wir uns bei unserer Vorbereitung nicht selten gefragt. Fisch? Elch? Oder doch die berühmten Kjøttkaker (Fleischklößchen), die man ähnlich schon von IKEA kennt? Wie sich herausgestellt hat, im typischen Motorradalltag vor allem eines: Waffeln! Fast an jeder Rastmöglichkeit und jedem Café wird das krossgebackene Teiggericht angeboten, häufig mit etwas Rømme (norwegischer Sauerrahm) und Marmelade. Gerade an kalten Tagen waren die warmen Waffeln ein absoluter Stimmungsretter, sodass wir gleich nach dem Heimkommen das Rezept in unsere Sammlung aufgenommen haben.

Zusatz: Interessanterweise scheinen die Norweger auch eine Schwäche für Hotdogs zu haben. So ist fast jede Tankstelle mit einem Grill ausgestattet, auf dem ununterbrochen ein paar Würstchen warm gehalten werden. Zusammen mit Zwiebeln und ein bisschen Ketchup vielleicht nicht der gesündeste Energiespender, aber sicherlich ein sehr willkommener.

9. Norweger zahlen lieber mit Kreditkarte als bar

Schon an unserer ersten Tankstelle in Dänemark wurde uns schnell klar, dass wir hier mit Bargeld nicht weit kommen würden. Kein Tankwart, keine Kasse, lediglich eine Zapfsäule und ein kleiner Slot für Kreditkarten. Dieser wollte dann gleich noch die Kreditkarten-PIN wissen (nicht die Giro-PIN!), ohne die eine Zahlung schlicht unmöglich gewesen wäre. Derselbe Zahltrend hat sich dann ziemlich konsequent auch in den anderen skandinavischen Ländern fortgesetzt. Wer in Norwegen unkompliziert zahlen möchte, sollte daher unbedingt die Kreditkarte samt PIN bereithalten, gerade für abgelegene Tankstellen. Immerhin: Der Zahlungsabwicklung am Automat ist für gewöhnlich sehr bequem. Karte rein, PIN eingeben, so viel tanken, wie man will!

Natürlich ist normales Bargeld in Restaurants, Supermärkten und bei sonstigen kleinen Einkäufen auch völlig akzeptiert. Dafür sollte man aber schon im Voraus ein paar Devisen mitbringen. Wechselstuben haben wir an den Grenzen nämlich nicht gefunden, genauso wenig wie Geldautomaten.

10. Trinkgeld ist nicht erforderlich

Trinkgelder sind in Norwegen nicht vorgeschrieben, weder in Taxis noch in Restaurants. In der Regel enthält die Rechnung neben Ware und Steuern auch immer den Service, sodass man es ohne schlechtes Gewissen auch dabei belassen kann. Wer sich besonders gut bedient fühlt und seinem Dank Ausdruck verleihen möchte, kann aber, ähnlich wie in Deutschland, ein Trinkgeld von 5-10% geben, was unserer Erfahrung nach auch gut ankommt (in einem Restaurant sollten wir beispielsweise das Essen an der Theke abholen, nach dem Zahlen mit Trinkgeld wurde es uns aber unerwartet mit einem Lächeln an den Tisch gebracht).

Laut einem norwegischer Wissenschaftler, der wohl tatsächlich seine Dissertation über die Trinkgeld-Kultur geschrieben hat, könne man sich einfach an folgendes System halten: Schlechter Service: kein Trinkgeld. Normaler Service: kein Trinkgeld. Ungewöhnlich guter Service: Trinkgeld.

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Verwirrung im eigenen Land

Interessanterweise führt der immer größer werdende internationale Einfluss mittlerweile teils selbst unter Norwegern zur Unschlüssigkeit, ob man jetzt Trinkgeld geben soll oder nicht. So gelten Servicekräfte in Norwegen als vergleichsweise gut bezahlt, weshalb ein Trinkgeld traditionell nie erforderlich war.

Mittlerweile hat der Blick auf andere europäische Länder und nicht zuletzt auf Amerika (mit niedrigen Löhnen und völliger Trinkgeldabhängigkeit) die eigene Kultur aber wohl etwas eingefärbt, sodass Trinkgelder heutzutage oft einfach „zur Sicherheit“ verteilt werden – sicherlich zur Freude der Bedienungen.