Unser heutiger Weg hängt wohl jedem halbwegs aktiven Motorradfahrer zum Hals raus: der Heimweg. Gerade den letzten Teil dieser Strecke ist man im Normalfall schon viele Dutzend Male gefahren. Je näher man seinem Ziel kommt, desto vertrauter ist der Straßenbelag, die Kurven grüßen einen bereits mit Vornamen und selbst die Kühe auf den Wiesen nicken kameradschaftlich.
Da ist es von Vorteil, wenn man für eine gewissen Abwechslung sorgen kann, solange man seinem Wohnort noch nicht allzu nahe ist. Wir haben Glück, von Sterzing nach München gibt es massig schöne Routen, so zum Beispiel im Westen über das Timmelsjoch, im Anschluss über den Fernpass oder das abenteuerliche Hahntenjoch.
Erneut über den Brenner
Uns macht jedoch die Hitze zu schaffen, noch immer ist keine Abkühlung zu erwarten. Daher entscheiden uns für die kürzeste Route, dem altbekannten Brenner. Auch hier kann man schließlich etwas variieren, gibt es doch noch eine schöne Strecke etwas östlich der alten Brennerstraße, die ich vor vielen Jahren einmal gefahren bin – und die ich heute gerne wieder fahren würde.
Bis hinauf zum Brennerpass bleibt aber nur die Wahl zwischen Autobahn und Landstraße und wir wählen – klar – natürlich letzteres. Vom Hotel aus sind es nur wenige Meter quer durch Sterzing und schon sind wir auf dem richtigen Weg. Entspannt düsen wir über die nur mäßig kurvige und gut ausgebaute Straße, die sanft und stetig bergauf führt. Ungefähr die Hälfte dieser Strecke befinden wir uns auch in Sichtweite zur Autobahn. Nicht so schön, aber das Tal ist hier so schmal, dass die Straßen einfach nur nebeneinander verlaufen können.
Das ändert sich jedoch sehr schnell: Kaum hat man – nach der Ortschaft Brenner – die Grenze nach Österreich überschritten, so weitet sich das Tal, die Umgebung wird (noch) idyllischer und die Landstraße geht auch mal ihren eigenen Weg. Kurz hinter Matrei sollten wir nun auch auf die Strecke am östlichen Rand des Tales abzweigen … doch trotz unseres aufmerksamen Suchens verfehlen wir die richtige Abfahrt und bleiben somit bis Innsbruck auf der alten Brennerstraße. Macht nichts, ist trotzdem schön!
Frischer Wind am Walchensee
Auch danach verzichten wir zunächst auf Experimente (diesmal freiwillig) und fahren die übliche Strecke: den Zirler Berg hinauf, vorbei an den heute zahlreich mit überhitztem Motor liegengebliebenen Autos und weiter nach Scharnitz und Mittenwald. Hier verwerfen wir spontan unseren ursprünglichen Plan, den schnellen Weg über Garmisch und die Autobahn zu nehmen. Das Fahren macht gerade so viel Spaß und der Fahrtwind kühlt so angenehm, dass wir gleich hinter Mittenwald kurzerhand abbiegen nach Krün, Richtung Wallgau und Walchensee. Diese Route ist kilometermäßig tatsächlich sogar etwas kürzer als der Weg über Garmisch, dauert aber länger, weil man nicht so schnell fahren kann. Dafür ist sie landschaftlich – wie ich finde – schöner, vor allem aber abwechslungsreicher.
Die gepflegten und sehr bayerischen Dörfer Krün und Wallgau sind für sich schon eine Augenweide, aber danach geht es erst so richtig los. Eine schmale, angenehm kurvige und sehr gute Straße führt durch Wälder und Wiesen hinauf und hinunter, bis man schließlich zum Walchensee gelangt. Dieser bei Surfern und Tauchern sehr beliebte Bergsee liegt in bezaubernder Umgebung, im Ort Walchensee oder in Urfeld (am anderen Ende des Sees) kann man prima eine Pause einlegen und eine Kleinigkeit essen. Wer hier gerne einmal Urlaub machen möchte: Den hiesigen Campingplatz kann ich nur empfehlen. Er liegt direkt am südlichen Ufer des Sees, die Ausstattung ist sehr gut und die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung sind enorm vielfältig.
Marvin und ich machen eine kurze Pause am Ufer des Walchensees und genießen den dort so häufig wehenden Wind (ein Grund für die Beliebtheit bei Surfern), ehe wir wieder auf die Motorräder steigen und uns aufmachen zum nächsten Highlight dieser Route:
Die Kesselbergstraße
Hierzu zitiere ich einfach einmal Wikipedia:
Die Kesselbergstraße
Die Kesselbergstraße ist eine stark befahrene und gut ausgebaute Verbindungsstraße und führt in zahlreichen Kehren zum Pass hinauf. Unterwegs gibt es mehrere gern besuchte Aussichtspunkte mit schönem Blick über den Kochelsee und Teile des Alpenvorlands. In der Vergangenheit gab es auf dieser Strecke durch illegale Rennen und überhöhte Geschwindigkeit zahlreiche Todesopfer. Als Konsequenz gilt nun am Wochenende und an Feiertagen in Richtung Walchensee eine Sperrung für Motorräder, eine durchgehende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h sowie ein Überholverbot auf der gesamten Passstrecke. Für Motorradfahrer ist die Straße nach wie vor ein beliebtes Ausflugsziel.
Wie in diesem Wikipedia-Artikel erwähnt, darf man an Wochenenden und Feiertagen die Kesselbergstraße als Motorradfahrer tatsächlich nur in eine Richtung befahren, nämlich von oben nach unten, also von Urfeld (am nördlichen Ufer des Walchensees) hinunter nach Kochel am See. Da heute Freitag ist – welcher offiziell noch nicht zum Wochenende zählt – kann uns das egal sein, zudem kommen wir sowieso aus der „erlaubten“ Richtung.
Doch unabhängig davon würde ich diese Straße an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen grundsätzlich meiden. An diesen Tagen ist sie – gerade bei schönem Wetter – nämlich in der Tat sehr stark befahren und es macht einfach keinen Spaß, inmitten von Autokolonnen hinunterzuschleichen, dabei immer voller Sorge, dass der Fahrer im Auto vor einem plötzlich auf die Bremse tritt, weil er einen besonders schönen Aussichtspunkt erspäht hat.
Entspanntes Fahren sieht anders aus – nämlich so wie bei uns heute: Bei nur mäßigem Verkehr können wir die zahlreichen Kehren ausgiebig genießen. Eine Warnung an dieser Stelle an unerfahrene Fahrer: Der Kesselberg sollte nicht unterschätzt werden. Die Kurven werden teilweise nach hinten hin enger und fordern daher die ganze Aufmerksamkeit des Fahrers. Also nicht leichtsinnig werden, sondern immer ein wenig Sicherheitspuffer lassen – dann kommt man auch gut unten an!
Das letzte Stück nach München
Ab Kochel wird es flach – und bleibt es auch. Wir fahren unseren üblichen Weg über Penzberg nach Wolfratshausen. Am Wolfratshausener Berg holen uns ein paar kleine Kehren kurz aus unserer Schläfrigkeit, dann geht weiter, vorbei an Icking und Schäftlarn. Der Straßenbelag kommt uns sehr bekannt vor, die Kurven grüßen uns, die Kühe nicken uns zu … und wir wissen: Es ist nicht mehr weit bis nach Hause.
Am frühen Nachmittag sind wir schließlich da und tauschen die motorisierten Zweiräder sogleich gegen die unmotorisierten: Nach dem Gepäckabladen und einer kurzen Dusche schwingen wir uns auf die Fahrräder und ab geht es in die Waldwirtschaft. Ist heute doch prächtigstes Biergartenwetter 🙂
Routenüberblick
Datum: 19. August 2011
Länge: 190 km, ca. 4h
Schwierigkeit: mittelschwer
Eindrücke: Landschaftlich wie fahrtechnisch eine sehr schöne Route