Markaryd bis München – The long way home

Gerne wären wir noch wochenlang weiter durch Skandinavien gefahren - doch irgendwann ist selbst die schönste Reise zu Ende.

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Heute wache ich mit einem dicken Kloß im Hals auf. Auf jeder meiner bisherigen Reisen kam irgendwann der Punkt, an dem ich mich nach Hause gesehnt habe. Doch diesmal ist es grundlegend anders: Die vergangenen Wochen verliefen so harmonisch, waren so reich an grandiosen Eindrücken und brachten uns der Welt und anderen Menschen auf die bestmögliche Art und Weise näher – ich würde am liebsten einfach nur so weiterfahren.

Leider bleibt uns keine Wahl. Unsere Familie, unsere Jobs und nicht zuletzt unser morgiger Rückfahrtermin mit dem Autozug drängen uns zur Heimkehr. Also packen wir nach einem kurzen Frühstück schweren Herzens unsere Sachen, verabschieden uns von Ingrid, Werner und den Enten und brechen auf in Richtung Süden.

Über den Öresund

Heute gilt es, die Strecke bis nach Heiligenhafen (dem letzten Übernachtungspunkt auf unserer Reise) an einem Tag zu bewältigen. Da wir keine Ahnung haben, wie lange wir für diese knapp 380 km samt diverser Meeresüberquerungen brauchen werden, wählen wir die direkteste und schnellste Verbindung: die Autobahn.

Die nächsten 140 km bis Malmö fahren wir flott und ohne nennenswerte Störungen. Das Wetter ist uns hold, die Sonne scheint kräftig und der Weg zur Öresundbrücke ist leicht gefunden, denn die Autobahn führt direkt dorthin. Da es sich dabei streckenweise gleichzeitig um die Umgehung von Malmö handelt, wird es auch merklich voller, ein richtiger Stau wird jedoch nie daraus und bis zur Brücke löst sich der Verkehr weitestgehend wieder auf.

Als wir auf die Ticketstation für die Brückenmaut zufahren, kommt es gleich zu einer Verwirrung: Da ich mit der Kreditkarte zahlen möchte, wähle ich einen der Schalter mit dem entsprechenden Symbol (blaues Schild).

Mir fällt zwar auf, dass kein Motorrad abgebildet ist, ich gehe aber davon aus, dass wir – wie so häufig – mit den PKWs in einen Topf geworfen werden. Ein eilig herbeilaufendes Mitglied des Brückenpersonals belehrt mich aber eines Besseren: Die Kartenterminals funktionieren vollautomatisch und Tickets für Motorräder sind hier nicht vorgesehen. Wir hätten uns am Schalter für manuelles Zahlen anstellen müssen (senfgelbe Schilder). Freundlicherweise öffnet er aber für uns die Kasse des Schalters (die gibt es offensichtlich also auch) und gibt uns unsere Tickets (via Kreditkarte). Das fanden wir sehr nett!

Es war zum Glück auch nichts los auf der Brücke – wie chaotisch dieses Missverständnis hätte ausgehen können, wenn sich hinter uns eine Schlange von Autos befunden hätte, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Wieviel die Benutzung der Brücke nun genau gekostet hat und was es für uns Motorradfahrer sonst noch zu beachten gibt, könnt ihr hier nachlesen: Die Öresundbrücke – schnelle Verbindung, grandioser Blick.

Dänemark die Zweite

Die Überfahrt über die Öresundbrücke ist toll und unbedingt empfehlenswert! Es ist schon ein besonderes Gefühl, minutenlang über offenes Meer zu fahren und dabei Schiffe und Möwen beobachten zu können. Gegen Ende erwartet uns jedoch eine kleine Enttäuschung: Ein breiter, sehr gut beleuchteter Tunnel führt uns nach unten – und als wir wieder an die Oberfläche kommen, liegt Kopenhagen bereits nahezu vollständig hinter uns. Nix also mit einem kurzen Blick auf das Zentrum von Dänemarks Hauptstadt.

Egal, wenigstens kommen wir schnell voran. So langsam knurrt uns auch der Magen, also machen wir kurz hinter Kopenhagen an einer erstaunlich adretten Autobahnraststätte Halt, tanken und gönnen uns ein letztes Mahl in Skandinavien – stilecht mit Burger und Pommes. Daheim muss ich unbedingt wieder auf weniger fettreiches Essen umsteigen. Eines der ewigen Mysterien des Motorradurlaubes ist es, dass keine Kalorie hängen bleibt, egal, wieviel man schlemmt. Für Zuhause gilt das ja leider nicht …

Nach der Pause durchqueren wir den restlichen Teil Dänemarks ebenfalls schnell und ohne Zwischenfälle. Die Autobahnen sind sehr gut beschildert, die anderen Fahrzeuge skandinavisch-zurückhaltend (mir graut es schon vor den ungestümen Zuständen auf deutschen Straßen …) und das Wetter perfekt. Wir legen noch einen letzten Stopp bei Farø ein, bewundern die Brückenbaukunst der Dänen und erreichen schließlich am frühen Nachmittag Rødbyhavn. Der Augenblick des endgültigen Abschieds naht…

Farvel Dänemark – hallo Deutschland!

Wie die Überfahrt mit der Fähre Rødbyhavn – Puttgarden vonstattengeht und was es dabei zu beachten gibt, könnt ihr hier im Detail lesen. Ich weiß noch, dass das Wetter, mit dem uns das deutsche Ufer begrüßt, prima zu meiner Stimmung passt: es regnet.

Irgendwie ist es schon sehr ironisch. Da fährt man in Länder, die für ihr schlechtes Wetter und ihre hohe Regenwahrscheinlichkeit berühmt sind, und hat an zehn von zwölf Tagen Hitze und Sonnenschein. Und kaum kommt man in die Heimat zurück, pladdert es. Im Juli. Ich will wieder nach Skandinavien!

Marvin zerrt mich von der Reling und hindert mich so am Zurückschwimmen, also landen wir schließlich doch nach einer kurzen, nassen und windigen Fahrt an unserem heutigen Übernachtungsplatz, dem Camping Blank-Eck nahe Heiligenhafen. Dort werden wir so freundlich begrüßt und bekommen so einen schönen Platz zugewiesen, dass mein mürrisches Gegrummel etwas leiser wird. Vollends versöhnt bin ich schließlich, als wir abends – nach einer ausgiebigen Dusche und einem kleinen Strandspaziergang – im campingplatzeigenen Restaurant ein nicht nur ausgesprochen wohlschmeckendes, sondern auch ein besonders günstiges Essen bekommen. Mit einem Salat! Gott, wie habe ich frisches Grünzeug vermisst. Es hat also doch seine Vorzüge, wieder in Deutschland zu sein.

Das letzte Stück zurück

Ehe wir am nächsten Tag Richtung Hamburg aufbrechen, bestehe ich noch auf einen kurzen Zwischenstopp in Heiligenhafen. Aus einem unerfindlichen Grund hat mich nämlich die Strickwut gepackt (die im Übrigen bis zum heutigen Tage andauert), also muss ich im dortigen Kaufhaus noch ein paar Knäuel Wolle und Stricknadeln kaufen. Ich stopfe alles in meinen Rucksack und los geht’s, ab nach Hamburg.

So lustig es klingen mag, aber die knapp 150 km auf der Autobahn von Heiligenhafen nach Hamburg stellen sich tatsächlich als die schwierigste und anstrengendste Etappe des gesamten Urlaubs heraus. Es windet wie verrückt (es ist der Tag, an dem in Deutschland so einige Masten umkippen und diverse Dachabdeckungen vom Sturm heruntergeblasen werden) und ich stehe Höllenängste durch. Wenig tapfer, dafür mit jeder Minute verzweifelter klammere ich mich an den Lenker und hoffe inständig, nicht umgepustet zu werden. Marvin fragt mich, ob ich nicht lieber auf die Landstraße wechseln möchte, aber auf der mehrspurigen Autobahn fühle ich mich tatsächlich noch etwas sicherer. Hier hat man wenigstens Platz, um auszuweichen. Und die anderen Fahrzeuge sind vom anhaltenden Sturm genauso eingeschüchtert und fahren ebenfalls entsprechend zurückhaltend.

Endlich erreichen wir Hamburg und der Wind wird durch die hohen Häuser etwas abgemildert. Ich schlage drei Kreuze, als wir in Hamburg-Altona ankommen und uns in die Warteschlange für den Autozug einreihen können. Oder besser gesagt, eben jene Warteschlange eröffnen. Wir sind nämlich die Ersten.

Macht uns aber nix, lieber zu früh, als zu spät. Auf eine längere Wartezeit haben wir uns ja eingestellt. Wir suchen uns also einen gemütlichen und sauberen Platz – der Bahnhof Hamburg-Altona hat so etwas tatsächlich zu bieten – lesen, stricken, essen und trinken. Und lernen bei der Gelegenheit zudem noch eine total nette Grazer Motorradfahrerin kennen, die auch gerade von einem Urlaub in Skandinavien zurückgekommen ist und auf ihren Autozug nach Wien wartet.

Die Zeit bis zur Abfahrt vergeht also schnell. Und diesmal haben wir auch etwas mehr Glück mit unseren Abteilgenossen: Der unvermeidliche Schnarcher ist zwar wieder mit von der Partie – aber wenigstens röchelt dieser nicht ganz so laut wie der auf der Hinreise…

Fazit

Der Urlaub in Norwegen und Schweden war der schönste Urlaub, den ich jemals mit dem Motorrad erlebt habe. Es hat irgendwie alles gepasst, das Wetter, die Landschaft, die Routenführung und die Menschen, denen wir begegnet sind.

Während ich in den vergangenen Wochen die Artikel für diesen Reisebericht geschrieben habe, konnte ich den Urlaub noch einmal Tag für Tag nacherleben – und mit einer Mischung aus Wehmut und Glück an diese wunderbare Zeit zurückdenken.

Ich kann jedem eine Reise in diese Länder nur empfehlen. Und traut euch ruhig, es mit dem Motorrad und dem Zelt anzugehen. Klar, natürlich muss man mit schlechtem Wetter rechnen. Aber das muss man wohl überall. Selbst im August in Italien bin ich trotz Regenkombi schon bis auf die Knochen nass geworden. Mit der richtigen Ausrüstung und der richtigen inneren Einstellung ist ein Motorradurlaub in Skandinavien nicht nur kein Problem, sondern ganz bestimmt ein unvergessliches Erlebnis!

Anja, im Dezember 2015

Datum: 7. und 8. Juli 2015
Schwierigkeitsgrad: einfach – so ziemlich alles ist Autobahn
Dauer: Markaryd – Heiligenhafen 375 km, ca. 6 – 7 h mit Pausen und Fähre;  bis Hamburg dann noch 150 km Autobahn – wenn nicht gerade ein Jahrhundert-Sturm bläst, geht das schnell 🙂