Wer kennt es nicht, dieses rote Tor, das nahe des Ufers im Wasser steht. Jedoch erst bei der Planung unserer Japanreise haben wir herausgefunden, wo genau in Japan es zu finden ist – nämlich auf der Insel Miyajima, nur ein kleines Stückchen süd-westlich von Hiroshima.
Nach unserem Frühstück brechen wir zeitig auf. Das heißt, wir versuchen es, denn erneut „erwischt“ uns Mako und lässt uns das Hostel erst verlassen, nachdem wir bei ihr an der Bar einen (erneut kostenlosen) Kaffee getrunken haben 🙂
Bereits in der Bahn ist es voll
Nur einen kurzen Fußmarsch von unserem Hostel entfernt startet die Regionalbahn zur Miyajimaguchi-Station, wo es eine Fährverbindung zur Insel gibt. Da beides – Bahn und Fähre – zu JR gehört, können wir es ohne Zusatzkosten nutzen.
Der Zug ist bereits in Hiroshima ungewohnt voll und wir bekommen keine Sitzplätze. Ein Blick über die Menge – sehr viele westliche Gesichter – lässt die Hoffnung sausen, dass es sich hier nur um den Berufsverkehr handelt und der Zug sich bald leeren wird. Im Gegenteil, es steigen immer mehr Menschen zu. Und nahezu alle steigen mit uns zusammen wieder aus. Unser Ziel ist dadurch allerdings sehr einfach zu finden: Wir folgen einfach der Karawane.
Fähren am laufenden Band
Am Fährterminal schaufeln gleich mehrere Fähren im 10-Minuten-Takt die Besucher auf die Insel. Zuerst müssen wir jedoch die erst vor wenigen Tagen neu eingeführte Besuchersteuer in Höhe von 100 Yen (ca. 60 Cent) bezahlen, dann dürfen wir mitfahren. Nur wenige Minuten später legen wir auch schon auf Miyajima an. Die Insel ist weitläufig, der Besucherstrom verteilt sich recht bald, ist also weniger störend als befürchtet. Zumal wir uns kaum über all die Touristen aufregen können – gehören wir doch selbst dazu.
Das erste, was uns auffällt, sind die zahlreichen Rehe. Auch hier laufen sie frei herum, sind aber bei weitem nicht so gut erzogen wie die in Nara. Sie verbeugen sich nicht, sondern versuchen ohne Umschweife direkt an alles Essbare heranzukommen, das man in der Hand hält.
Es gibt hier auch kein offizielles Rehfutter zu kaufen, so dass man die Rehe damit nicht ablenken kann. Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als sie sanft, aber konsequent zu verscheuchen, wenn man in Ruhe seine Pommes essen möchte. Oder den Platz zu wechseln, falls auch das nicht hilft.
Eine vielfältige Snack-Auswahl
Apropos Essen: Es ist inzwischen mittags und bei uns kommt langsam wieder der Hunger durch. Da trifft es sich gut, dass in den Gassen Richtung Itsukushima-Schrein zahlreiche Imbissbuden angesiedelt sind und wir uns hier durchprobieren können.
Ich entdecke auch zum ersten Mal so eine Pyramide aus quadratischen Matcha-Mochis, wie ich sie schon in einigen Reiseführern gesehen habe. Da ich sowohl Matcha als auch Mochi mag, muss ich mir natürlich gleich einen Becher davon kaufen. Nach dem ersten Probieren bin ich jedoch froh, nur einen kleinen Becher genommen zu haben. Bei aller Liebe zu Matcha, aber das ist mir dann doch zu viel des Guten. Mehr als zwei, drei dieser feucht-matschigen Würfel schaffe ich beim besten Willen nicht, es schmeckt für mich viel zu stark nach dem grünen Teepulver. Marvin gibt bereits nach einem auf. Etwas enttäuschend.
Dafür schmecken die frittierten, mit Sojamehl bestäubten Kügelchen umso besser, die wir an einem anderen Stand entdecken. Außen knusprig, innen weich, aber nicht klebrig und mit dem mild-süßen Pulver bedeckt, sind sie so lecker, dass wir uns später auf dem Rückweg gleich noch eine Portion kaufen.
Überhaupt schlagen wir meist zu, wenn wir eine vegetarische Option entdecken. Unsere Essensweise ist in Japan ist deutlich komplizierter umzusetzen, als wir gehofft haben. Im Lande des Tofu sollte das eigentlich kein Problem sein, dachten wir. Aber nahezu überall ist Fleisch oder Fisch mit dabei. Und für differenziertere Bestellungen fehlen uns schlicht die Sprachkenntnisse. Aber wir wollen uns nicht beklagen, wir kommen auch so gut durch und müssen ganz sicher nicht hungern.
Der Itsukushima-Schrein
Einigermaßen gesättigt erreichen wir schließlich das Ufer, von dem aus man den besten Blick auf das berühmte Torii hat. Hier sitzen interessanterweise auch viele Menschen – meist Kinder, aber auch einige Erwachsene – und zeichnen. Später haben wir erfahren, dass es hier wohl Sitte sei, bedeutsame Stätten abzumalen. Nun, hier sind scheinbar ganze Schulklassen gerade damit beschäftigt.
Nachdem wir gefühlt einige Hundert Fotos vom Torii und seiner Umgebung gemacht haben, wandern wir weiter Richtung Inselmitte. Das bedeutet: es geht bergauf. Genauer gesagt auf den knapp 500 m hohen Berg Misen. Wir gehen nicht bis ganz nach oben, auf ungefähr der Hälfte der Höhe drehen wir um, weil wir glauben, das Wichtigste gesehen zu haben.
Ein Fehler, wie wir später herausfinden. Von ganz oben hat man anscheinend nicht nur einen spektakulären Blick, sondern kann wohl auch auf Affen stoßen. Beides haben wir somit verpasst.
Die Geschichte hinter den Zipfelmützen
Egal, auch so ist die Wanderung den Hang hinauf kurzweilig und macht uns viel Spaß. Überall sind kleine und größere Schreine zu finden, die innen wie außen aufwändig dekoriert sind. Manche der aufgestellten Statuen sind atemberaubend schön gestaltet.
Relativ weit oben am Hang stoßen wir auf eine Ansammlung unzähliger kleiner Steinfiguren, die zum größten Teil mit roten Zipfelmützen und Schals bzw. Lätzchen geschmückt sind. Ein entzückender Anblick, auch wenn wir uns wundern, was das wohl zu bedeuten hat.
Am Abend klärt uns eine Freundin in unserer WhatsApp-Gruppe auf, dass dies einen ernsten Hintergrund hat: Diese sogenannten Jizo-Statuen gelten als Begleiter der Seelen von Kindern, die vor ihren Eltern gestorben sind. Die Mützen und Schals bzw. Lätzchen werden von den Eltern umgebunden, damit die Gottheit Jizo ihr Kind besser finden kann. Jede Mütze steht also für ein zu früh verstorbenes Kind.
Das finde ich sehr traurig. Und ich bin froh, dass wir uns oben bei den Statuen respektvoll verhalten und nicht irgendwie rumgealbert haben. Allerdings war der kleine Weg, an dem die Statuen standen, auch ein schöner und Ruhe ausstrahlender Ort, der sowieso nicht zu unangemessenem Verhalten angeregt hat.
Ein fauler Abend
Am frühen Nachmittag kommen wir wieder unten am Torii an und überlegen, ob wir noch etwas unternehmen wollen, haben aber keine so rechte Lust. Wir sind jetzt ziemlich genau zwei Wochen unterwegs und stellen fest, dass eine gewisse Besichtigungsmüdigkeit eingetreten ist.
Für heute haben wir genug Eindrücke gesammelt, beschließen wir daher, und machen uns auf den Rückweg nach Hiroshima. Auf dem Weg ins Hostel decken wir uns noch mit ausreichend Vorräten ein, dann verbringen wir einen gemütlichen und sehr faulen Spätnachmittag auf unserem Zimmer. Auch das muss mal sein!
Überblick
Datum: Samstag, 07. Oktober 2023
Unterkunft: Roku Hostel, Hiroshima