Wir haben gut geschlafen, das Wetter ist prima, die Unterkunft schön, die Zimmerwirtin supernett, das Frühstück lecker … und trotzdem haben sowohl Marvin als auch ich heute irgendwie einen Durchhänger. Am liebsten wären wir jetzt zuhause in München, würden zwei Tage WoW durchspielen und dazu Pizza bestellen. Oder so ähnlich. Und mit keinem anderen Menschen interagieren außer kurz dem Pizzaboten an der Haustür.
Mentaler Overflow
Aber das ist vermutlich auch kein Wunder. Wir haben in den letzten zwei Wochen so dermaßen viel erlebt, uns gleichzeitig aber nie richtig die Zeit genommen, das auch zu verarbeiten. Stattdessen haben wir immer nur neue Eindrücke oben drauf gepackt. Da ist es wohl völlig normal, wenn das Gehirn sagt: Jetzt ist aber mal gut, jetzt ist Zeit für eine Pause! Glücklicherweise ist unser heutiges Programm sowieso eher kurz: Wir wollen uns der Kriegsvergangenheit von Hiroshima widmen und den extra hierfür eingerichteten „Friedenspark“ besichtigen.
Hiroshima Castle
Am frühen Vormittag brechen wir auf. Da sie auf dem (Fuß)Weg liegt, machen wir auch gleich einen Abstecher zur Burg Hiroshima. Hierbei handelt es sich um den orginialgetreuen Nachbau eines Teils der ursprünglich aus 1590 stammenden Gebäude, die – wie so vieles hier – 1945 von der Atombombe zerstört wurden.
Auf dem von einem Wassergraben umgebenen Gelände befinden sich neben der Burg selbst nicht nur die Grundmauern diverser historischer militärischer Gebäude, sondern auch einer der sogenannten A-Bomb Trees: Eine Stechpalme, die den Atombombenabwurf wundersamerweise überlebt hat und seither verehrt wird als „lebendes Mahnmal für Frieden, Verständigung und die Abschaffung von Atomwaffen“.
Es ist ein schönes Fleckchen hier, aber wegen unserer fehlenden Unternehmungslust schlendern wir eher lahm über die Wege. Vermutlich ist die aktuelle Stimmung besser beschrieben, indem ich aufzähle, was wir alles nicht tun: So betreten wir zum Beispiel nicht das Inneren der Burg und schauen uns auch nicht das dortige Museum über den zweiten Weltkrieg an. Dem ebenfalls hier angesiedelten Gokokku-Schrein gönnen wir nur ein paar gleichgültige Blicke. Echt schlimm heute!
Die heilende Wirkung von Brot
Schlagartig besser wird es, als wir nach dem Verlassen des Burggeländes ein paar Straßen weiter eine Art Bäckerei nach westlichem Stil entdecken. Und in ihr tatsächlich einige Dinge, die an unser heißgeliebtes Brot „von zuhause“ erinnern.
Wir kaufen, was uns lecker erscheint, und mampfen dann an den draußen aufgestellten Tischen glücklich unsere Beute. Die schmeckt zwar insgesamt etwas süßlich und nicht so deftig wie erhofft, hat aber immerhin deutlich mehr Konsistenz als ein mehliger Schaumkuss. Prima!
Die Atombombenkuppel
Mit etwas mehr Elan geht es weiter zum eigentlichen Ziel. Am nordöstlichen Rand des Friedenspark steht das Friedensdenkmal: Der weltbekannte, sehr markante Atomic Bomb Dome.
Wir stehen eine Weile davor und lassen die Stimmung auf uns wirken. Die Tatsache, dass nur wenige Meter über diesem Punkt eine Atombombe explodiert ist, löst in mir eine tiefe Beklemmung aus.
Ich habe in den 80er Jahren für Abrüstung gekämpft, den Film The Day After gesehen, ebenso wie das fantastische Wenn der Wind weht. Beide Filme machen sehr deutlich, welch eine bestialische Waffe eine Atombombe darstellt. Auch wenn Japan damals auf der Seite des Aggressors gekämpft haben mag … Krieg ist scheiße. Immer. Erst recht, wenn die Zivilbevölkerung so darunter zu leiden hat wie unter den Folgen eines Atombombenabwurfs.
Das Friedensmuseum
Unsere nachdenkliche Stimmung bleibt uns für den Rest des Nachmittages erhalten. Wir besichtigen den Park und wenden uns dann dem Friedensmuseum zu. Der Eintritt ist frei, aber die Schlange der wartenden Menschen davor lässt uns zuerst zögern. Wir beobachten jedoch, dass sie recht schnell voranrückt, und stellen uns daher ebenfalls an. Es dauert tatsächlich nur etwas über eine halbe Stunde, bis wir das Museum betreten können.
Es ist auf alle Fälle sehenswert, aber nichts für schwache Nerven. Die zahlreichen Fotos und Alltagsgegenstände aus der Zeit nach dem Abwurf zeichnen ein schonungsloses, extrem deutliches Bild des damit verbundenen Leids.
Burger statt Curry
Wieder zurück im Freien haben wir genug vom Krieg. Wir beschließen, zum Abschluss des Tages durch die Innenstadt von Hiroshima zu schlendern und in der dort angesiedelten Zweigstelle des CoCo Ichibanya noch mal so ein leckeres Curry zu essen wie in Imabari. Dort angekommen finden wir erneut eine Schlange von Wartenden vor. Allerdings bewegt diese sich auch nach ettlichen Minuten kein Fitzelchen vorwärts, also lassen wir das.
Nach einigem Suchen landen wir schließlich bei einer Filiale von MOS-Burger, die auch Grüne Burger anbietet – Burger, die nicht nur vegetarisch, sondern sogar vegan sind (was wir eh vorziehen). Dass die Brötchen tatsächlich hellgrün gefärbt sind, merken wir nach dem Bestellen. Schmecken tun sie prima!
Überblick
Datum: Sonntag, 08. Oktober 2023
Unterkunft: Roku Hostel, Hiroshima